Süddeutsche Zeitung

EU:Kompliziertes Verhältnis

Die Außenminister beraten sich mit ihrem US-Kollegen Mike Pompeo. Sie wollen einige schwierige Themen ansprechen: Die Positionen von Amerikanern und Europäern könnten dabei jedoch kaum gegensätzlicher sein.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Es sind Sätze, die jahrelang niemand registriert hätte. "Die USA ist unser engster außen- und sicherheitspolitischer Partner außerhalb der EU", schreibt die Bundesregierung im Programm für die im Juli beginnende Ratspräsidentschaft. Der Außenbeauftragte Josep Borrell formuliert es nach einer Videokonferenz der EU-Außenminister mit ihrem US-Kollegen Mike Pompeo so: "Lassen Sie mich betonen: Die transatlantische Partnerschaft ist eine zentrale Stütze der Weltordnung." Noch am Sonntag hatte er einen Text veröffentlicht, der nicht verschwieg, wie schlecht es dreieinhalb Jahre nach dem Auszug Barack Obamas aus dem Weißen Haus um das gegenseitige Vertrauen steht: "Die Trump-Regierung hat einseitige Entscheidungen getroffen, mit denen wir nicht immer einverstanden sind."

Auch in normalen Zeiten wären 90 Minuten knapp, um über China, den Friedensprozess im Nahost und die Ukraine zu sprechen. Doch momentan vertreten Amerikaner und Europäer öfter entgegengesetzte Positionen, als dass sie "an einem Strang ziehen", wie es Bundesaußenminister Heiko Maas fordert. Trumps Nahost-Friedensplan vom Januar hält die EU für ungeeignet, weil sie die Zwei-Staaten-Lösung untergräbt. Man solle aber den "entstandenen Schwung" nutzen, sagte Borrell in der Pressekonferenz, um Gespräche zwischen Palästinensern und Israelis voranzubringen. Maas hatte die Hoffnung geäußert, die USA für ein neues "multilaterales Format" gewinnen zu können. Laut Borrell habe Pompeo das Angebot weder angenommen noch abgelehnt. Maas habe klargemacht, dass Israels Annexion von Teilen des Westjordanlands "Konsequenzen" haben würde. Pompeo, der weiter Trumps Vertrauen genießt, habe die anderen Wortmeldungen kommentarlos zur Kenntnis genommen, so Borrell.

Während Ungarn die Linie von Israels Premier Benjamin Netanjahu unterstützt, sieht Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn Parallelen zur russischen Annexion der Krim 2014. Er fordert Sanktionen sowie eine Anerkennung Palästinas, wenn Israel von Juli an seine Pläne umsetzt.

Vor dem Treffen hatten Diplomaten berichtet, dass Pompeo vor allem über China reden wolle. Das Land hatte er zuvor als Bedrohung für die westliche Lebensweise bezeichnet; Chinas Kommunistische Partei sei "eine wachsende Herausforderung für alle freien Menschen". Pompeo treibt die Konfrontation also weiter voran und bringt die EU in eine heikle Lage, denn beide Staaten fordern, "eine Seite zu wählen".

So schrieb es Borrell in seinem Text - und lehnte eine klare Positionierung ab. Von äußerem Druck solle man sich nicht leiten lassen, sondern nur von den eigenen Interessen und Zielen. Er wirbt dafür, dass die EU gegenüber Peking nicht "naiv" sein dürfe und ihre Macht als Handelspartnerin nutzen müsse, um die eigenen Werte zu verteidigen und Wettbewerbsverzerrung zu stoppen. Dass die Konfrontation der Supermächte "die künftige Weltordnung" prägen dürfte, weiß man in der EU. Allerdings sind die 27 Staaten von einer einheitlichen Position weit entfernt, schrieb Borrell: "Einige werben für eine Seite, andere für eine Position in der Mitte."

Während Ungarn oder Griechenland chinafreundlich sind, wirbt Schweden für Härte und als einziges Land für Sanktionen gegen Peking als Reaktion auf das Sicherheitsgesetz für Hongkong. In der Pressekonferenz sagte Borrell, dass er einen EU-USA-Dialog angeregt habe, um die Folgen von Chinas rasantem Aufstieg zu beraten. Details, etwa auf welcher Ebene solche Gespräche geführt werden könnten, nannte er nicht.

Auch Pompeo lobte die transatlantische Partnerschaft und nannte das gemeinsame Bekenntnis zu demokratischen Werten ein "Bollwerk" gegen die Versuche Russlands und Chinas, demokratische Gesellschaften zu unterminieren. Ob man sich in der China-Politik annähern kann, bleibt offen. Zwar signalisiere Washington, an Hilfe der EU interessiert zu sein. Allerdings sei die Skepsis groß, ob Trump zu Kooperation bereit sei und aufhöre, Europas Sicherheit zu ignorieren. In den vergangenen Wochen haben der Ausstieg Washingtons aus dem "Open Skies"-Vertrag oder die Androhung, 9500 US-Soldaten aus Deutschland abziehen zu wollen, diese Zweifel eher gestärkt. Die Antwort von Heiko Maas auf die Frage nach dem deutsch-amerikanischen Verhältnis trifft wohl auf viele bilaterale Beziehungen mit den USA zu: "Es ist kompliziert."

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SZ vom 16.06.2020
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