EU-Kommissionspräsident:Junckers Klagelied

Noch hat Jean-Claude Juncker Chancen auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. In diesen Tagen fällt der Luxemburger aber vor allem durch lautes Klagen auf. Dabei sollte er jetzt um Vertrauen und Mehrheiten kämpfen.

Ein Kommentar von Cerstin Gammelin, Brüssel

Jean-Claude Junckers erster Auftritt vor der größten Fraktion im neuen Europaparlament hat ein schales Gefühl hinterlassen. War das die sanfte Ankündigung des Rückzugs von seinen Ambitionen, Chef der Europäischen Kommission zu werden? Oder war es ein Hilferuf an Gleichgesinnte - schließlich sprach Juncker vor den europäischen Christsozialen und Christdemokraten, mithin seinen eigenen Parteifreunden?

Von Aufbruch und Ehrgeiz war jedenfalls wenig zu spüren, als Juncker sich darüber beklagte, dass sein Haus von der Boulevardpresse belagert werde und Reporter versuchten, neue Details jener elenden Geheimdienstaffäre auszugraben, über die der langjährige Regierungschef Luxemburgs im vergangenen Jahr das Amt verloren hatte.

Lamentierender Vollblutprofi

Sicher, das alles ist höchst unerfreulich. Und doch bleibt festzuhalten: Juncker ist ein Vollblutprofi, was Politik angeht. Er weiß, wie das Spiel mit den Boulevardblättern funktioniert. Und deshalb hätte er seine Angelegenheiten viel früher klären müssen.

Schwerer wiegt, dass ihm einige seiner Parteifreunde die Gefolgschaft verweigern. Juncker weiß, dass er nur eine Chance hat, den Posten zu bekommen - wenn er nämlich den Staats- und Regierungschefs, die ihn als Kandidaten vorschlagen müssen, beweisen kann, dass das Parlament, das ihn wählen muss, mit satter Mehrheit hinter ihm steht. Dafür reicht es nicht zu klagen, dafür muss er kämpfen.

© SZ vom 06.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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