Die Europäische Kommission von Jean-Claude Juncker hat einen grandiosen Fehlstart hingelegt. Angetreten mit der Botschaft, keine Bande von Bürokraten zu sein, sondern eine politische Regierung für die Gemeinschaft, ist die Kommission bei der ersten Polit-Affäre so ins Schlingern geraten, dass die Katastrophe, nämlich der Rücktritt des Chefs und damit aller Kommissare, schon als Option am Horizont auftauchte. Eine solche institutionelle Krise wäre das Letzte gewesen, was die sich ohnehin im Krisenmodus befindliche Europäische Union noch gebraucht hätte.
Die Katastrophe verhinderte jetzt der Mann, der sie zuvor mit heraufbeschworen hatte: Kommissionschef Juncker. Mit einem couragierten Auftritt vor Parlament und Presse in Brüssel gelang es ihm, die Deutungshoheit über die Affäre zu bekommen. Vor einer Woche hatten mehrere Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung, aufgedeckt, wie das Großherzogtum Luxemburg in den vielen Jahren, in denen Juncker dort Premier war, mit unfairen Steuertricks zulasten der Nachbarn zum reichsten Land Europas wurde.
Dass sich die Bürger heute fragen, ob sie Juncker überhaupt trauen können, wenn er über europäische Solidarität, über Gerechtigkeit und Verantwortung redet, ist also logisch. Und ebenso, dass sie eine Antwort haben wollen von demjenigen, der die politische Verantwortung für die Steuersparmodelle trägt. Eben von Juncker.
Die EU-Kommission kann Affären nicht mehr aussitzen
Diese Antwort ist jetzt erst spät gekommen. Denn zunächst tauchte Juncker ab. Statt Stellung zu beziehen, ließ er in den vergangenen Tagen Beamte altbekannte, technisch-bürokratische Erklärungen abgeben. Sie suchten Ausflüchte und versuchten, die Luxemburger Steueraffäre als Kampagne von Juncker-Gegnern hinzustellen. Immer in der Hoffnung, alles aussitzen zu können. Ein Fehler reihte sich an den nächsten.
Erschreckend war das geringe Gespür für des Volkes Stimme, für den Frust der Bürger. Die Zeiten, in denen diese ohne Murren akzeptieren, dass sie beträchtliche Steuern zahlen müssen, mit denen im Zweifel Banken gerettet werden, internationale Konzerne dies aber nicht tun müssen, sind endgültig vorbei. Junckers Berater und er selbst hätten wissen müssen, dass sich die Luxemburger Steueraffäre durch Schweigen zu einer formidablen politischen Krise auswachsen würde.