Die neue EU-Kommission um Präsidentin Ursula von der Leyen kann am 1. Dezember die Arbeit aufnehmen. Fast sechs Monate nach der Europawahl und zähem Streit hat das Europaparlament in Straßburg für die 26 Kommissarinnen und Kommissare gestimmt. Das Europäische Parlament votierte mit 370 von 688 abgegebenen Stimmen in Straßburg für das Team, das neben der Deutschen aus zehn Frauen und 16 Männern besteht. Für die künftige EU-Politik war dieser Schritt entscheidend: Als einzige Institution der Europäischen Union kann die Kommission Gesetze für die Staatengemeinschaft vorschlagen. Außerdem überwacht sie die Einhaltung des EU-Rechts.
Erwartet wird, dass von der Leyen in ihrer zweiten Amtszeit andere Schwerpunkte setzt als bisher. War bei ihrem Antritt 2019 die Klimakrise eines der treibenden Themen, dürften nun andere Probleme in den Fokus rücken: Mit den Kriegen in der Ukraine und in Gaza, dem Amtsantritt von Donald Trump in den USA und dem schwelenden Handelsstreit mit China steht die EU vor der großen Frage, wie sie wettbewerbsfähig und wehrhaft bleiben kann.
EU-Kommission:Wie sich die Lagerkämpfe im EU-Parlament auflösten
Der Kompromiss steht, die Mehrheit wohl auch: Im Dezember bekommt die Europäische Union eine neue Exekutive. Der Preis ist aber erheblich.
Ein Zeichen für diese veränderten Schwerpunkte setzt von der Leyen, indem sie den Posten des Verteidigungskommissars einführt. Litauens Ex-Ministerpräsident Andrius Kubilius soll künftig dafür sorgen, dass Europa militärisch unabhängiger wird und leichter in europäische Rüstungsprojekte investiert werden kann.
Der Krieg in der Ukraine dürfte auch die Estin Kaja Kallas beschäftigen: Als neue Chefdiplomatin der EU wird sie sich damit befassen müssen, dass die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg schwächelt. In anderen Konflikten wie etwa im Nahen Osten kann die EU hingegen nur wenig Einfluss geltend machen.
Neben den sicherheitspolitischen Herausforderungen gilt es, die EU krisensicher im Wettbewerb mit China oder den USA zu machen. Der designierte EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič erbt einen Konflikt mit China: Die EU wirft der Regierung Wettbewerbsverzerrung durch Subventionen vor und beschloss im vergangenen Monat Extrazölle auf chinesische E-Autos. China prüft Gegenmaßnahmen, von denen auch deutsche Autobauer betroffen sein könnten.
Ein Dauerbrenner bleibt auch der Kampf gegen unerwünschte Migration. Der bisherige österreichische Finanzminister Magnus Brunner wird als neuer Kommissar dafür verantwortlich sein, den umstrittenen Migrationspakt umzusetzen.
Bei der Europawahl im Mai erhielt Ursula von der Leyens Mitte-rechts-Bündnis EVP die meisten Stimmen. Die inzwischen 66-Jährige wurde daraufhin im Juli vom Parlament in ihre zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin gewählt. Im September stellte sie ihr Wunschteam vor.
Drei umstrittene Kandidaten
Für besonderes Aufsehen sorgte die Nominierung des Italieners Raffaele Fitto, der künftig unter anderem für Reformen zuständig sein soll sowie für den Europäischen Sozialfonds und einen Fördertopf für regionale Entwicklung. Er wird zudem einer der Vizepräsidenten von der Leyens. Zwar gilt der Rechtspolitiker vielen in Brüssel als politisch gemäßigt und proeuropäisch, kommt jedoch aus der rechten Regierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Auch an der Berufung der Sozialistin Teresa Ribera als Kommissarin für Wettbewerbspolitik und grünen Wandel gab es Kritik. Konservative und rechte Abgeordnete werfen der derzeitigen spanischen Umweltministerin Versagen bei den schweren Überschwemmungen in der Region Valencia vor. Letztlich einigten sich die großen Fraktionen im Parlament nach langen Verhandlungen jedoch, sodass sowohl Fitto als auch Ribera ihr Amt antreten können.
Umstritten war auch der Ungar Olivér Várhelyi, der wegen seiner Loyalität gegenüber dem autoritär regierenden ungarischen Ministerpräsidenten Orbán in der Kritik steht. Die großen Fraktionen einigten sich letztlich darauf, Teile seines Portfolios Gesundheit und Tierschutz anderen Kommissaren zu übertragen – nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur etwa jene zur sexuellen Diskriminierung und Selbstbestimmung.