Süddeutsche Zeitung

Energiekrise:EU will Regierungen zu Hilfsprogrammen verpflichten

Um Stromkunden zu entlasten, sollen die Gewinne günstiger Kraftwerke abgeschöpft und umverteilt werden. Dabei will die Behörde nicht nur Empfehlungen an die Mitgliedstaaten abgeben, sondern auf harte Vorschriften setzen.

Von Björn Finke, Brüssel

Im Kampf gegen die hohen Strompreise will die EU-Kommission den Mitgliedstaaten Hilfsmaßnahmen verbindlich vorschreiben. Ein 41-seitiger Verordnungsentwurf, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, verlangt von den Regierungen unter anderem, Übergewinne günstiger Kraftwerke abzuschöpfen und mit den Erlösen Haushalte und Firmen zu entlasten, denen die Energiekosten zu schaffen machen. In dem Entwurf werden wichtige Zielmarken und Grenzwerte durch "X" ersetzt, was bedeutet, dass sie noch nicht feststehen. Klar ist aber, dass die Brüsseler Behörde auf harte Vorschriften setzt und nicht bloß Empfehlungen an die Mitgliedstaaten abgeben will.

Die Kommission wird die fertige Verordnung wohl an diesem Mittwoch präsentieren. An dem Tag wird Behördenchefin Ursula von der Leyen auch im Straßburger Europaparlament ihre alljährliche Rede zur Lage der EU halten - dort werden die Initiativen gegen hohe Energiepreise ebenfalls Thema sein. Damit das EU-Gesetz in Kraft treten kann, müssen die Regierungen der Mitgliedstaaten zustimmen. Dies soll nach dem Willen der tschechischen Regierung bis Monatsende geschehen. Die Tschechen führen noch bis Jahresende die Geschäfte im Ministerrat, dem Gesetzgebungsgremium der EU-Regierungen.

Der Verordnungsentwurf würde eine einheitliche Obergrenze einführen für den Preis pro Megawattstunde, den billige Kraftwerke - also Öko-, Kohle- und Atomstromanbieter - mit ihrer Elektrizität erlösen dürfen. Ist der Preis an den Strombörsen höher, fließt die Differenz an die Regierungen, um damit Hilfsprogramme zu finanzieren. Dieser Ansatz ähnelt dem Modell, das die Bundesregierung ohnehin einführen will.

Öl-, Gas- und Kohlekonzerne sollen einen Solidarbeitrag leisten

Diese günstigen Kraftwerke erzielen im Moment enorme Gewinne, weil sich der Börsenpreis an den Kosten des teuersten Stromproduzenten orientiert. Und das sind die Gaskraftwerke. Damit treibt der Gaspreis auch den Preis für Elektrizität hoch. In dem jüngsten Entwurf steht bei der Obergrenze noch keine Zahl, aber frühere Konzepte der Kommission nannten 200 Euro pro Megawattstunde als Limit. Erfasst werden sollen nicht nur der Handel an der Börse, sondern auch Verträge, die an der Börse vorbeilaufen.

Außerdem will die Kommission einen Solidarbeitrag von Öl-, Gas- und Kohlekonzernen erheben. Der soll sich danach richten, um wie viel der Gewinn 2022 gestiegen ist im Vergleich zu den Vorjahren. Die EU will eine Mindest-Steuerrate vorgeben, die genaue Höhe legen die Regierungen fest. Die Erlöse sollen unter anderem in Hilfsprogramme für Bürger und für Industriebranchen mit hohem Energieverbrauch fließen.

Daneben schreibt die Verordnung ein verbindliches Ziel für die Senkung des Stromverbrauchs zu Spitzenzeiten vor. Auch hier fehlt die konkrete Zahl, aber in früheren Entwürfen wurden fünf Prozent angepeilt. Die Diskussionen unter den EU-Regierungen über die Verordnung dürften teilweise schwierig werden. Bei einer Tagung der Energieminister vergangene Woche sprachen sich zum Beispiel manche Regierungen dagegen aus, das Einsparziel bindend zu machen. Über die Höhe des Preisdeckels für günstige Kraftwerke dürfte es ebenfalls Debatten geben.

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