EU-Kommission:Es schwäbelt weiter in Europa

EU Energy council meeting in Luxembourg

Die Bilanz fällt gemischt aus, trotzdem könnte Günther Oettinger (r., mit dem griechischen Minister Ioannis Maniatis) einer der Vizepräsidenten werden.

(Foto: Nicolas Bouvy/dpa)

Nach anfänglichem Fremdeln hat sich der Deutsche Günther Oettinger in Brüssel eingerichtet: Er bleibt EU-Kommissar, aber wohl nicht für Energie.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel, Brüssel

Es hat geklappt, Günther Oettinger kann aufatmen. Er darf als deutscher Kommissar in Brüssel bleiben. Kein Umzug, kein neuer Job, keine großen Änderungen im neu organisierten Familienleben mit Lebensgefährtin, Sohn und Pferd.

Überraschend ist die Entscheidung nicht gekommen. In den vergangenen Wochen war zu beobachten, wie sich Oettinger und Angela Merkel peu à peu annäherten. Er habe sich in Brüssel gut eingelebt und eingearbeitet, betonte der deutsche EU-Kommissar immer wieder. Wenn die Bundeskanzlerin ihn fragen würde, ob er bleiben wolle, ja, dann stehe er zur Verfügung. Und Merkel? Also, sagte die deutsche Kanzlerin gern, man wolle den Gasstreit mit Russland beilegen, da verhandele der deutsche Kommissar. Und man wolle die Energieabhängigkeit beenden, da vertraue sie ganz Oettinger.

Oettinger bleibt also in Brüssel. Energiekommissar dagegen bleibt er höchstwahrscheinlich nicht. Erstens liegt es im Ermessen des neuen Kommissionspräsidenten, die Ressorts aufzuteilen. Und zweitens ist im Gespräch, dass die Europäische Kommission komplett umstrukturiert wird. Dann könnte es unter dem Präsidenten eine Handvoll Vizepräsidenten geben, die wiederum ein größeres Portfolio an Aufgaben mit jeweils einem zuständigen Kommissar betreuen. Oettinger hätte durchaus gute Chancen, zu einem der Vizepräsidenten berufen zu werden. Er kennt sich aus in den europäischen Institutionen, er ist gut vernetzt und kommt aus einem großen Mitgliedsland. Und er hat eine klare Vorstellung, was er in der neuen Europäischen Kommission ab Herbst gerne machen würde. "Es ist für mich denkbar, ein Dossier in einem größeren wirtschaftspolitischen Bereich zu übernehmen".

Oettinger gilt als bestes Beispiel dafür, dass Fleiß alleine meist doch nicht reicht

Der CDU-Politiker und frühere Ministerpräsident Baden-Württembergs hat in Brüssel in den vergangenen fünf Jahren die unvermeidliche europäische Metamorphose durchlaufen. Man könnte auch sagen, aus dem deutschen Blick auf die Dinge ist ein europäischer Blick geworden. Als Oettinger im Herbst 2009 in Brüssel anfing, war ihm das Fremdeln deutlich anzumerken.

Seine ersten Versuche, Energiepolitik auf Englisch zu erklären, führten bei manchem Zuhörer zu verzweifeltem Stirnrunzeln. Mit seiner für das Klimaressort zuständigen Kollegin Connie Hedegaard lieferte er sich heftige Rangeleien um Klimaziele und Energiepreise. Unvergessen sind seine für Heiterkeit sorgende Versuche, deutsche Probleme im europäischen Maßstab zu erklären. Mit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer lieferte er sich 2011 im Freiburger Audimax einen mittlerweile historischen Schlagabtausch über Kopfbahnhöfe, Durchgangsbahnhöfe und das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21. Natürlich brauche Europa Durchgangsbahnhöfe, sagte Oettinger, und zählte Städte auf wie Straßburg oder Karlsruhe. Und dass etwa eine Metropole wie Paris einen Kopfbahnhof habe, liege schlicht daran, "dass es westlich von Paris keine Menschen mehr gibt, sondern nur noch Kühe und Atlantik".

Im Kollegium galt Oettinger als besonders fleißig und pflichtbewusst. Der Deutsche habe nach dem französischen Binnenmarktkommissar Michel Barnier die meisten Initiativen gemacht, sagen Beamte in der Europäischen Kommission.

Oettinger gilt freilich auch als bestes Beispiel dafür, dass Fleiß allein nicht reicht. Der für Wirtschaft und Währung zuständige Kommissar Olli Rehn erzählt etwa, dass er "exzellente Arbeitsbeziehungen" mit Oettinger gehabt habe. Als er dann danach gefragt wird, was er als größten Erfolg in der europäischen Energiepolitik unter Oettinger werten würde, legt der bedächtige Finne die Stirn in Falten. "Er hat das Beste gegeben in schwierigen Umständen", sagt er. Was bedeutet: Oettinger war bemüht, aber nicht erfolgreich. Was nicht nur an ihm liegt, sondern vor allem an den realen Verhältnissen.

Die 28 Mitgliedstaaten der EU sind nicht nur Freunde, sondern vor allem Konkurrenten. Sie wetteifern um beste Konditionen im Binnenmarkt. Da kommt natürlich Energiepreisen eine entscheidende Rolle zu. Wer billige Energie zur Verfügung hat, kann preiswerter produzieren, was im Wettbewerb untereinander ein handfester Vorteil ist. Genau dieses Rangeln um Wettbewerbsvorteile ist auch der Grund dafür, dass Staats- und Regierungschefs zwar stets versichern, etwa das Baltikum an die Energienetze Mitteleuropas anzubinden oder Leitungen von der iberischen Halbinsel nach Frankreich zu finanzieren, den dafür zuständigen Energiekommissar aber dann die vielen Milliarden Euro verweigern, die nötig sind, um die Leitungen zu bauen.

Aus Sicht des Energiekommissars ist das bedauerlich, aus Sicht der bundesdeutschen Wirtschaft nicht. Die deutschen Unternehmen haben unter Oettinger ihre Stellung im europäischen Energiemarkt festigen können. Aus der nationalen Perspektive war der Schwabe in Brüssel durchaus erfolgreich.

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