Süddeutsche Zeitung

EU-Sanktionen gegen Russland:Erster Schritt zum Energieboykott

Die EU-Kommission beschließt, keine Kohle mehr aus Russland zu beziehen. Die Entscheidung erfolgt in enger Absprache mit Berlin.

Von Michael Bauchmüller und Stefan Braun

Die EU-Kommission hat entschieden, keine Kohle mehr aus Russland zu beziehen. Übers ganze Jahr verteilt macht das eine Kohlemenge im Wert von etwa vier Milliarden Euro aus. Das ist nicht nichts, aber diese erste Stufe eines umfassenden Energie-Embargos ist noch die kleinste. Stärkere Auswirkungen hätte es, wenn Brüssel und Berlin auch bei Öl und Gas diesen Schritt gehen sollten. Und doch ist dieser Beschluss eine Botschaft an Moskau. Brüssel und Berlin wollen Schritt für Schritt ihre einst selbst geschaffene Abhängigkeit auflösen. Genaueres, etwa ab wann und in welchem Umfang Kohleimporte aus Russland gestoppt werden könnten, ist noch nicht bekannt.

Wie zu hören ist, wurde die Entscheidung, zu der weitere Sanktionsverschärfungen vor allem im Finanzsektor gehören, in enger Abstimmung mit Berlin getroffen. So heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dass Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) einen EU-Verzicht auf russische Kohle mittrage. Dazu sei man im engen Austausch mit dem Kanzleramt und der Kommission, verlautete aus Ministeriumskreisen. Die Deutsche Presse-Agentur hatte darüber zuerst berichtet.

Tatsächlich entspricht ein solcher Beschluss dem Kurs, den das Ministerium schon in den vergangenen Wochen einschlug. Ziel ist es, die Unabhängigkeit von russischen Energieimporten Sparte für Sparte und schrittweise zu erreichen. Nach eigenem Bekunden arbeitet das Ministerium seit Wochen hart daran, die Grundlage dafür zu schaffen, dass die Abtrennung von russischen Energielieferungen so schnell wie möglich erfolgen kann.

Verwiesen wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf einen vor zehn Tagen vorgelegten "Fortschrittsbericht Energiesicherheit", wonach die Unabhängigkeit bei Kohle am schnellsten erreicht werden könne. In dem Bericht hieß es: "Bis zum Herbst kann Deutschland unabhängig von russischer Kohle sein."

Russische Kohle wird in Kraftwerken verfeuert

Die russische Steinkohle wird in Deutschland vor allem in Kohlekraftwerken verfeuert, zu Beginn des Krieges kam rund die Hälfte der Importkohle von dort. Doch schon in wenigen Wochen gelang es, diesen Anteil auf 25 Prozent zu reduzieren. Bis zum Frühsommer, so hatte Habeck unlängst mitgeteilt, werde sich der Großteil der Importeure von Russland gelöst haben. Bis zum Herbst werde dies komplett gelungen sein.

Das muss jetzt deutlich schneller gehen. Sehr schwierig aber wird das nicht. Schon vorigen Monat verwies der Verein der Kohlenimporteure auf den "gut funktionierenden, liquiden Weltmarkt". Lieferungen könnten statt aus Russland künftig aus den USA, Kolumbien und Südafrika kommen, oder aus Ländern wie Australien, Mosambik und Indonesien. Ausreichende Mengen seien vorhanden. Die 18 Millionen Tonnen Steinkohle, die Deutschland im vorigen Jahr aus Russland importiert habe, entsprächen nur rund zwei Prozent des gesamten Welthandels.

Auch beim Öl und beim Gas strebt Berlin eine solche Entwicklung der zunehmenden Unabhängigkeit an. Das ist mühsamer als bei der Kohle. Der politische Druck, angesichts der Bilder und Berichte über Kriegsgräuel der russischen Armee schneller voranzugehen, dürfte aber kaum abebben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5561153
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/fued
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.