Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise:Es ist doch nur Geld

Lohnt es sich wirklich, das Projekt Europa aufs Spiel zu setzen, nur um alte Schlachten zu schlagen? Italien und Spanien brauchen dringend Geld, das Länder wie Deutschland oder die Niederlande bereitstellen können, um ihre Solidarität zu zeigen.

Kommentar von Björn Finke, Brüssel

Ein Armutszeugnis: Während das Coronavirus die Menschen dahinrafft, streiten die EU-Finanzminister verbissen über Formelkompromisse und Details von Kreditkonditionen. Die Politiker haben in der Nacht zum Mittwoch 16 Stunden lang diskutiert über Hilfspakete für klamme Mitgliedstaaten. Gründonnerstag sollen die Gespräche weitergehen. Am Ende wird hoffentlich irgendein Kompromiss stehen, aber der Schaden ist bereits angerichtet. In der schlimmsten Krise der Geschichte der EU müssten die Finanzminister Solidarität und Entschlossenheit demonstrieren. Doch das unerfreuliche Gefeilsche zeugt vor allem von Misstrauen und Starrsinn.

Die Bürger in Staaten wie Italien und Spanien verlangen zu Recht, dass die EU ihren hoch verschuldeten Regierungen hilft, nach der Pandemie Konjunkturpakete zu finanzieren. Enttäuscht Brüssel diese Erwartungen, werden sich die Wähler europafeindlichen Populisten zuwenden. Auf der anderen Seite sind Bürger in Staaten wie Deutschland und den Niederlanden - ebenfalls zu Recht - besorgt, wenn nun über Corona-Anleihen und damit die Vergemeinschaftung von Schulden debattiert wird. Als die Deutschen ihre geliebte Mark für den Euro aufgaben, versprach ihnen die Regierung, die Währungsunion werde nicht zu einer Transferunion führen: Alle Staaten stünden weiter alleine für ihre Verbindlichkeiten gerade. Ein Bruch dieses Versprechens gäbe Europagegnern in finanzstarken Staaten wie Deutschland massiv Auftrieb.

Die Enttäuschung im Süden oder das Misstrauen im Norden könnte die Union zerreißen. Aus Angst vor Populisten zu Hause suchen die Regierungen in Brüssel nicht mehr miteinander nach Lösungen für Probleme, sondern arbeiten gegeneinander. Dabei ist klar, dass für Herausforderungen wie den Klimawandel und den Aufstieg Chinas nicht weniger, sondern mehr Europa dringend nötig ist.

Zugleich könnte die Corona-Krise aber auch Europas Zusammenhalt stärken: wenn es gelingt, Antworten zu finden, die im Norden wie im Süden akzeptabel sind. Doch dafür müssen die Regierungen rhetorisch abrüsten und sich beweglich zeigen. So müssen Italien und Spanien aufhören, in der Pandemie alte Schlachten neu auszufechten. Bereits in der Staatsschuldenkrise forderten diese Länder gemeinschaftliche europäische Anleihen, für die alle Staaten komplett haften. Und schon damals konnten Deutschland und die Niederlande dem nicht zustimmen.

Italien und Spanien brauchen schnell viel Geld - und die finanzstarken Staaten sollten garantieren, dass sie dieses erhalten. Wer gemeinsame Anleihen ablehnt, muss Solidarität eben auf andere Weise zeigen. Italien und Spanien könnten den Euro-Rettungsschirm in Anspruch nehmen, der neue EU-Haushalt könnte massive Hilfen und Bürgschaften vorsehen. Staaten wie Deutschland müssten dem Rettungsschirm und dem EU-Etat dann mehr Geld zur Verfügung stellen.

Die Unterstützung muss mit möglichst lockeren Auflagen geleistet werden: Hier muss sich vor allem die pedantische niederländische Regierung bewegen. Denn Mittel für Italien sind keine Almosen für einen Sünder, der vom rechten Weg abgekommen ist, sondern ein Gebot der Solidarität - und eine Investition in Europas Zukunft. Ansonsten hat Europa vielleicht keine Zukunft mehr.

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SZ vom 09.04.2020/kit
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