EU und der Gaza-KonfliktWadephul blockiert Sanktionen gegen Israel

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Johann Wadephul nach dem Iran-Treffen mit dem britischen Außenminister David Lammy, der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas sowie den Außenministern Frankreichs und Irans (nicht im Bild) in Genf.
Johann Wadephul nach dem Iran-Treffen mit dem britischen Außenminister David Lammy, der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas sowie den Außenministern Frankreichs und Irans (nicht im Bild) in Genf. (Foto: Sedat Suna/Getty Images)

Die Juristen der EU-Kommission kommen zu dem Ergebnis: Israel verstößt in Gaza gegen die Menschenrechte – und damit gegen das Assoziierungsabkommen. Der deutsche Außenminister will die Regierung Netanjahu trotzdem keinesfalls bestrafen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Der spanische Außenminister José Manuel Albares kam an diesem Montagmorgen mit besonderem Elan zum Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Sein Thema: der Weltfrieden und die besondere Verantwortung der Europäischen Union dafür. Die EU habe genügend Worte über ihre Rolle als Friedensmacht und Vertreterin der Menschenrechte in aller Welt verloren, sagte Albares. Nun müssten den Worten endlich Taten folgen. Er meinte Taten, die sich gegen den Staat Israel richten.

Den in Brüssel versammelten Ministerinnen und Ministern lag ein von der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas in Auftrag gegebener, von Juristen verfasster Bericht der EU-Kommission über israelische Menschenrechtsverletzungen beim Kampf gegen die Hamas in Gaza vor. Der Bericht stelle fest, was seit vielen Monaten ganz offensichtlich sei, sagte Albares in einem Anflug von Sarkasmus: die hohe Zahl von zivilen Opfern, die Blockade von Lebensmittellieferungen, Angriffe auf Krankenhäuser und vieles mehr.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass den Worten tatsächlich Taten folgen

Albares forderte umgehende Konsequenzen. Die EU solle das Assoziierungsabkommen sofort aussetzen, das seit dem Jahr 2000 als Grundlage für die engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Israel dient. Die EU solle zudem keine Waffen mehr an Israel liefern und einzelne Mitglieder der israelischen Regierung mit Sanktionen belegen.

Aber es ist nicht damit zu rechnen, dass den Worten tatsächlich Taten folgen. Vielen Regierungen ist es derzeit wohl wichtiger, Israel im Konflikt mit Iran zur Seite zu stehen, als den Palästinensern ein Zeichen der Solidarität zu senden. Dazu zählt vor allem die deutsche Regierung.

Gaza sei ein Thema, „das natürlich diskutiert werden muss“, sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) in Brüssel. Die humanitäre Lage müsse „adressiert“ werden. Aber er stellte klar, dass eine Suspendierung des Abkommens mit der Bundesregierung keinesfalls zu machen sein wird. Israel sei „der demokratische Rechtsstaat im Nahen Osten“ und Deutschland in besonderer Weise verbunden. „Wir brauchen dieses Abkommen und sollten es in keiner Weise in Zweifel ziehen.“ Wadephul riet sogar davon ab, „weitere formelle Diskussionen zu führen“.

Zur Lage in Iran hagelt es Mahnungen, Warnungen, Appelle, die man auch als Zeichen von Machtlosigkeit werten kann

Die Autoren des Berichts berufen sich auf internationale Organisationen, vor allem das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Sie kommen zu dem Schluss, dass Israel wohl gegen das Assoziierungsabkommen verstoße. Darin steht in Artikel 2: Grundlage für die Zusammenarbeit ist die Achtung der Menschenrechte. Die israelische Regierung bezeichnete das EU-Papier einem Bericht der Plattform Politico zufolge als „empörend und unfair“. Man habe keine Gelegenheit zu einer Erwiderung erhalten.

Vor einem Monat hatte sich noch eine große Mehrheit dafür ausgesprochen, die Beziehungen zu Israel zu überprüfen. 17 Außenministerinnen und Außenminister votierten dafür. Dagegen stimmte schon damals der deutsche Minister. Die Bundesregierung zweifelt, so heißt es intern, nicht den Bericht als solchen an, sondern wirft die Frage auf, wie sinnvoll es sei, Israel mit Sanktionen zu belegen und damit jeglichen Einfluss auf die Regierung Netanjahu zu verlieren.

Beim Treffen am Montag wurde über den Bericht diskutiert, eine Abstimmung über Konsequenzen daraus ist erst für die Sitzung im Juli geplant. Kaja Kallas soll nun mit der israelischen Regierung über den Bericht sprechen und dann Vorschläge unterbreiten. Um das Abkommen zu suspendieren, wäre Einstimmigkeit nötig. Um einzelne Teile auszusetzen, bräuchte es eine qualifizierte Mehrheit, was bedeutet: 55 Prozent der Länder müssten zustimmen, und sie müssten 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Auch das ist schwer vorstellbar. An der Seite Deutschlands stehen Italien, Österreich und einige osteuropäische Staaten.

Das beherrschende Thema des Treffens war ohnehin Iran und die Angst vor einer Eskalation des Konflikts. Vor allem eine Sperrung der für den weltweiten Öltransport wichtigen Straße von Hormus wäre „extrem gefährlich“, sagte Kaja Kallas. Eine Lösung könne nur am Verhandlungstisch gefunden werden, hieß es von allen Seiten. Es hagelte Mahnungen, Warnungen, Appelle, die man auch als Zeichen von Machtlosigkeit werten kann.

Der deutsche Außenminister Wadephul versuchte den Eindruck zu zerstreuen, die Europäer seien von US-Präsident Donald Trump übergangen worden, als er am Wochenende die iranischen Atomanlagen bombardieren ließ. Vielmehr habe das eine mit dem anderen zu tun: Trump habe die Bomber möglicherweise losgeschickt, weil Iran am Freitag bei den Verhandlungen in Genf nicht ausreichend kompromissbereit gewesen sei. Europa habe „eine große Rolle“ in dem Konflikt, sagt Wadephul. Im Übrigen sei die EU von der US-Regierung ausdrücklich ermuntert worden, in Kontakt mit den Iranern zu bleiben, sagte Wadephul.

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