EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hält einen weiteren Vorstoß für neue Regeln für Kindergeldzahlungen ins EU-Ausland für wenig chancenreich. "Es gibt eine klare Tendenz unter den EU-Mitgliedstaaten, die gegenwärtige europäische Rechtslage nicht zu ändern", sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Er verwies demnach auf Beratungen im Rat der EU-Sozialminister vom vergangenen Juni, bei denen sich eine Mehrheit der Minister gegen eine Anpassung von Kindergeldzahlungen für im Ausland lebende Kinder an die dortigen Lebenshaltungskosten ausgesprochen hatte.
Bereits am Freitag hatte die EU-Kommission eine Neuregelung der Kindergeldzahlungen ins europäische Ausland abgelehnt. Eine Anpassung dieser Zahlungen an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes sei wegen des Diskriminierungsverbots nirgendwo im EU-Recht vorgesehen, sagte eine Sprecherin der dpa in Brüssel.
Entsprechende Forderungen waren am Donnerstag laut geworden. "Das Kindergeld sollte sich daran orientieren, was Kinder in ihrem tatsächlichen Aufenthaltsland brauchen, und nicht die Höhe aufweisen, die in einem anderen Land am Wohnsitz ihrer Eltern gezahlt wird", hatte etwa Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, gefordert. Die Bundesregierung arbeitet an einer entsprechenden Reform auf EU-Ebene. Zahlungen könnten demnach geringer ausfallen, wenn die Kinder in Ländern mit niedrigeren Lebenshaltungskosten leben.
Neben der EU-Kommission steht allerdings auch der Paritätische Gesamtverband dem Vorstoß skeptisch gegenüber. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider nannte die geltende Praxis völlig korrekt und fair. "Im Regelfall geht es um die Kinder von Eltern, die hier in Deutschland erwerbstätig sind - und zwar nicht nur scheinbar", sagte Schneider der dpa. "Sie zahlen ihre Steuern nach deutschem Recht und deutschen Steuersätzen. Damit haben sie auch ein Anrecht auf entsprechende bundesdeutsche Kinderfreibeträge beziehungsweise das Kindergeld."
Instrumente gegen einen Missbrauch des Kindergeldes stärken
Der Hintergrund: Laut der Bundesregierung ist in diesem Jahr ein Rekord an ausländischen Kindergeldempfängern zu verzeichnen. Im Juni wurde hierzulande Kindergeld für 268 336 Kinder gezahlt, die im EU-Ausland leben. Das ist ein Anstieg um 10,4 Prozent seit Ende 2017. Am stärksten hat dabei die Zahl der Empfänger aus Osteuropa zugenommen. Im Inland bekommen über 2,7 Millionen Kinder aus anderen Ländern Kindergeld. Dabei gebe es auch Hinweise auf Betrugsfälle in Deutschland. Mehrere Oberbürgermeister sprechen von einer wachsenden Migration in das deutsche Sozialsystem, die auch von Schleusern und Schlepperbanden befördert wird.
Weitgehend einig ist man sich deshalb auch darin, dass die Instrumente gegen einen Missbrauch des Kindergeldes gestärkt werden sollen. Dies hatte unter anderem der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) verlangt. Eine Sprecherin der EU-Kommission zeigte sich dafür grundsätzlich offen. SPD-Chefin Andrea Nahles hat bereits ein Spitzentreffen mit betroffenen Städten für den 27. September einberufen, um das Problem zu erörtern. "Es ist klar, dass wir Missbrauch und organisierter Kriminalität einen Riegel vorschieben müssen", sagte Nahles.