EU-Haftbefehl:Puigdemont sollte nicht an Spanien ausgeliefert werden

Die Festnahme des ehemaligen katalanischen Regierungschefs zeigt, dass die EU-Justiz inzwischen gut funktioniert. Doch die Richter in Schleswig-Holstein dürfen die politischen Motive Madrids nicht ignorieren.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Wären die Zeitläufte in Europa entspannter, dann würde man vielleicht sagen: Wie reibungslos die Justiz in der EU doch inzwischen funktioniert! Am Freitag hatte der Oberste Gerichtshof Spaniens den EU-Haftbefehl gegen Carles Puigdemont erneuert, schon 48 Stunden später ging der katalanischen Ex-Regierungschef der Autobahnpolizei in Schleswig-Holstein ins Netz. Die Strafverfolgung hat in Europa inzwischen lange Arme - und darüber würde man sich wohl freuen: Straftäter sind leichter greifbar geworden.

Tatsächlich aber ist die Situation in Europa politisch aufgeladen, auch in Spanien. Deshalb katapultiert der unerwartete Fang auf der Autobahn die schleswig-holsteinische Justiz mitten in die katalanischen Sezessionsbestrebungen - respektive den harschen Umgang der spanischen Justiz mit den Protagonisten der Abspaltungstendenzen. Wie auch immer sich die Richter und Staatsanwälte im Norden Deutschlands entscheiden, ob sie Puigdemont nun an Spanien ausliefern oder nicht: Sie werden damit Proteste ernten - entweder von der Regierung in Madrid oder von den Menschen auf den Straßen Barcelonas.

Den Straftatbestand der Rebellion gibt es im deutschen Recht nicht

Dennoch darf die Justiz die politischen Motive hinter den strafrechtlichen Vorwürfen gegen Puigdemont nicht ausblenden. Gewiss, die Voraussetzungen eines EU-Haftbefehls zu prüfen, ist in erster Linie eine juristische Angelegenheit - aber schon hier müssen Generalstaatsanwaltschaft und Oberlandesgericht genau hinsehen. Einen Straftatbestand der "Rebellion" gibt es im deutschen Recht nicht, weshalb eine Auslieferung nur zulässig wäre, wenn sich ein vergleichbarer Paragraf im deutschen Strafrecht fände.Das ist zweifelhaft, erst recht in der politisierten Auslegung, die das spanische Gericht dem Tatbestand unterlegt. Ähnliches gilt für die angebliche Veruntreuung öffentlicher Gelder: Das ist zwar auch in Deutschland strafbar. Aber auch hier ist die politische Stoßrichtung hinter den Anschuldigungen nicht zu übersehen.

Die schleswig-holsteinische Justiz sollte die Überstellung Puigdemonts nach Spanien deshalb ablehnen. Der EU-Haftbefehl ist ein Instrument, um den Auslieferungsverkehr in Europa effektiver zu machen - er ist kein Werkzeug, innenpolitische Auseinandersetzungen mithilfe ausländischer Strafverfolger auszufechten.

Der Haftbefehl ist ein Mechanismus, der auf wechselseitigem Vertrauen beruht. Damit war aber nie ein blindes Vertrauen gemeint: EU-Staaten dürfen die Auslieferung verweigern, wenn es "objektive Hinweise" auf eine politische Verfolgung gibt - so steht es bereits in den "Erwägungsgründen" des EU-Gesetzgebers zum Haftbefehl. Womit die Ablehnung, Puigdemont nach Spanien zu schicken, ohne juristische Verrenkungen möglich ist. Die schleswig-holsteinischen Juristen müssten nur den Mut dazu haben.

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