Fünf Jahre nach dem Brexit nähern sich Großbritannien und die EU wieder an. Vertreter der 27 EU-Staaten billigen zu Beginn eines Gipfeltreffens in London Pläne für eine engere Zusammenarbeit bei Themen wie Verteidigung und Sicherheit, Lebensmittelstandards, Fischerei und Energie, wie die Deutsche Presse-Agentur von Diplomaten und EU-Beamten erfuhr.
Es war der erste Gipfel zwischen Großbritannien und der EU seit dem Brexit und ein wichtiger symbolischer Akt. Der Krieg in der Ukraine und die Abwendung der US-Regierung unter Donald Trump lassen London und Brüssel kaum eine Wahl.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident António Costa und EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas sowie der mit Großbritannien befasste EU-Kommissar Maroš Šefčovič wurden im prunkvollen Lancaster House in London empfangen. Bereits wenige Tage vor dem Treffen gab sich der britische Premierminister Keir Starmer optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, dass wir wirklich große Fortschritte machen werden am Montag.“
Zum Thema Verteidigung hatte Kallas vor dem Treffen im Tagesspiegel gesagt: „Großbritannien und die EU müssen in diesen geopolitisch schwierigen Zeiten zusammenhalten.“ Die EU plant, einen Fonds über 150 Milliarden Euro aufzulegen, aus dem Mitgliedstaaten Rüstungsprojekte finanzieren können. London will, dass die heimische Industrie dabei von Aufträgen profitiert. Ein Verteidigungs- und Sicherheitsabkommen soll den Weg dafür bahnen. Umsonst wird das für die Briten aber nicht werden, wie Experten warnten. Als denkbar gilt auch eine Teilnahme der Briten an EU-Missionen.
In der Fischerei verlängern Großbritannien und die EU den gegenseitigen Zugang zu Gewässern bis zum 30. Juni 2038. Damit werden die ursprünglich 2026 auslaufenden Bestimmungen um zwölf Jahre verlängert. Die Fischerei war lange ein zentrales Spannungsfeld. Die EU hat Großbritannien wegen des Verbots des Sandaalefangs in britischen Gewässern verklagt. Besonders Frankreich wollte, dass die bisherige Regelung weiter gelten soll.
Keine Einigung beim Thema Reisen und Arbeiten für junge Menschen
Vorerst keine konkrete Einigung gibt es bei einem Vorschlag der EU-Kommission für ein sogenanntes Youth Mobility Scheme. Es soll das Reisen und Arbeiten zwischen Großbritannien und der EU erleichtern. Vor allem Berlin hatte darauf gepocht, dass junge Menschen aus der EU wieder einfacher für eine begrenzte Zeit im Vereinigten Königreich leben und arbeiten können. Aus Londoner Sicht ist das Thema aber heikel, weil es Wasser auf die Mühlen des Brexit-Vorkämpfers und Rechtspopulisten Nigel Farage sein könnte, dessen Partei Reform UK in Umfragen derzeit vor den Volksparteien Labour und Konservativen liegt. Die Regierung Starmer betont deshalb, dass dies keine Rückkehr zur Freizügigkeit bedeutet. Laut einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurfsdokument wird eine kontrollierte Anzahl von Personen mit begrenzter Teilnehmerzahl und Aufenthaltsdauer angestrebt. Die genaue Teilnehmerzahl wird noch diskutiert. Die beiden Seiten einigten sich darauf, weiter daran zu arbeiten.
Ebenfalls Annäherungen dürfte es bei den Themen Energie und Emissionshandel geben. Beide Seiten prüfen die britische Teilnahme am internen Strommarkt der EU, den Großbritannien nach dem Brexit verlassen hatte. Die britische Energiebranche drängt jedoch auf effizientere Stromhandelsvereinbarungen mit der EU. Im Jahr 2024 importierte Großbritannien rund 14 Prozent seines Stroms über Verbindungen mit Belgien, Dänemark, Frankreich und Norwegen. Darüber hinaus arbeiten beide Seiten an einer Verbindung ihrer Emissionshandelssysteme. Grundsätzlich besteht auf EU-Seite auch die Hoffnung, dass bei dem Treffen erst einmal Grundlagen geschaffen werden, um die Zusammenarbeit in Zukunft dann deutlich zu vertiefen.
Großbritannien und die EU werden auf gemeinsame Lebensmittel- und Pflanzenschutzstandards hinarbeiten. Dies soll den bürokratischen Aufwand verringern und den Handelsfluss verbessern. Diese Initiative zielt darauf ab, unnötige Grenzkontrollen zu vermeiden. Ein Veterinärabkommen wird dabei als zentrales Element positioniert. Jede Vereinbarung würde hohe Lebensmittelstandards beibehalten.