EU-Grenzschutzagentur:Frontex soll Flüchtlinge retten müssen

EU-Grenzschutzagentur: Mehrere Küstenwachen wie hier die spanische werden von der EU-Grenzschutzagentur koordiniert - wahrscheinlich bald nach neuen Regeln.

Mehrere Küstenwachen wie hier die spanische werden von der EU-Grenzschutzagentur koordiniert - wahrscheinlich bald nach neuen Regeln.

(Foto: AFP)

Mehr als 360 afrikanische Flüchtlinge ertranken im Oktober vor der Küste Lampedusas - nun könnte eine EU-Verordnung neue derartige Dramen im Mittelmeer verhindern: Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll verpflichtet werden, Flüchtlinge in Seenot zu retten.

Die Mitarbeiter der EU-Grenzschutzagentur Frontex sollen künftig verpflichtet werden, in Seenot geratene Bootsflüchtlinge zu retten. Dies sieht eine neue Verordnung vor, die der Innenausschuss des Europaparlaments in Brüssel verabschiedet hat. Die Neuregelung für Frontex-Einsätze an den Außengrenzen der EU soll neue Flüchtlingsdramen im Mittelmeer verhindern helfen.

Die Verordnung soll vor allem so genannte "push-back-Aktionen" auf hoher See unterbinden - also das Zurückdrängen von oft völlig überladenen Flüchtlingsbooten in Richtung Afrika oder die Türkei. Grenzpolizisten der EU-Staaten sowie Frontex-Mitarbeiter werden zudem verpflichtet, Flüchtlingen bei Bedarf Zugang zu medizinischer Versorgung, Übersetzungsdiensten und Rechtsberatung zu gewähren. Wie die Notwendigkeit der Maßnahmen im Einzefall festgestellt werden soll, klärt der Vorschlag zunächst nicht.

Das Abdrängen von möglicherweise hilfsbedürftigen Menschen sei inakzeptabel und verstoße gegen internationale Abkommen, etwa die Europäische Menschenrechtskonvention, sagte die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel. "Diese rechtswidrige Praxis, die leider vorgekommen ist, hat nun hoffentlich bald ein Ende." Allerdings werde erst die Praxis zeigen, ob die EU-Staaten die neuen Vorschriften für die von Frontex koordinierten Einsätze auch tatsächlich einhalten.

Reaktion auf Lampedusa

Die Verordnung soll voraussichtlich im April vom Plenum des Europaparlaments verabschiedet werden. Der Vorschlag wurde bereits mit dem Rat, in dem 28 EU-Staaten vertreten sind, abgestimmt. Somit kann die Verordnung unmittelbar nach dem Votum im Plenum in Kraft treten. Frontex muss demzufolge künftig jährlich in einem Bericht darlegen, wie die Vorschriften konkret angewandt werden. Zudem muss die Grenzschutzagentur auch Details über etwaige Zwischenfälle auflisten.

Mit der Neureglung reagiert die EU auf jüngste Flüchtlingsdramen vor der italienischen Insel Lampedusa und der spanischen Exklave in Marokko, Ceuta. Vor der marokkanischen Küste waren Anfang Februar neun Menschen bei dem Versuch ertrunken, die Exklave und damit EU-Territorium zu erreichen. Im Oktober waren vor Lampedusa mehr als 360 afrikanische Flüchtlinge ertrunken.

Seit diesem Drama steht die Einwanderungspolitik der EU verstärkt in der Kritik, da sie vor allem auf Abschottung setzt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Genf wagten im vergangenen Jahr fast 45.000 Menschen die gefährliche Überfahrt von Afrika nach Italien oder Malta. Die meisten von ihnen kamen auf der kleinen Insel Lampedusa an, die der afrikanischen Küste am nächsten liegt. Die Zahl der Bootsflüchtlinge, die 2013 ums Leben kamen, beziffert die IOM auf rund 700.

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