EU-Gipfel zur Verteidigungspolitik:Gemeinsame Drohne, getrennte Kassen

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Erstmals seit fünf Jahren haben sich die EU-Regierungschefs wieder dem heiklen Thema Verteidigung gewidmet. Bei Rüstungsprojekten wie einer europäischen Drohne herrscht Einigkeit. Mit seiner Forderung nach finanzieller Unterstützung für Frankreichs Afrika-Einsätze ist Präsident Hollande jedoch abgeblitzt.

Europa nimmt einen neuen Anlauf, um seine kostspielige Verteidigungspolitik auf Vordermann zu bringen. Beim EU-Gipfel in Brüssel forderten die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag eine stärkere Zusammenarbeit in Europa sowohl bei in Krisenherden einsatzfähigen Truppen als auch bei Rüstungsprojekten. So stellten sie sich insbesondere hinter eine Gruppe von Mitgliedstaaten, die eine europäische Drohne entwickeln will.

Es war das erste Mal seit fünf Jahren, dass sich die EU-Staats- und Regierungschefs wieder den sensiblen Themen Verteidigung und Rüstung widmeten. "Hier kann Europa noch sehr viel enger zusammenarbeiten", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Brüssel. "Wir können unsere Rüstungsaktivitäten bündeln, aber vor allen Dingen müssen wir auch global eine koordinierte Politik machen."

Rückendeckung bekamen Merkel und Kollegen nicht nur von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, sondern auch vom Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz. Die EU sei "militärpolitisch noch immer von den USA abhängig", sagte er. Ihre Mitgliedstaaten müssten sich vom "Jeder-für-sich-Ansatz" verabschieden. Denn dieser führe wegen Parallelstrukturen zu milliardenschweren Mehrkosten und "Kompatibilitätsproblemen bei gemeinsamen Einsätzen".

"Defense matters" ("Verteidigung ist wichtig") steht am Beginn des Strategiepapiers, das angesichts von Haushaltszwängen auch die Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten stärken soll. Denn an diesem Bereich hängen laut EU-Kommission direkt und indirekt 1,4 Millionen Arbeitsplätze in Europa. Die Entwicklung einer europäischen Drohne soll im Zeitraum 2020 bis 2025 erfolgen. Vom kommenden Jahr an ist eine "angemessene Finanzierung" für Forschung und Entwicklung geplant. Beteiligt sind bisher mindestens sieben Mitgliedstaaten, darunter Deutschland.

Frankreich fordert vergeblich finanzielle Beteiligung an Afrika-Einsätzen

Insgesamt sehen sich die Europäer unter Druck, militärisch "größere Verantwortung"zu übernehmen, um im Verbund mit der Uno und Nato zum Erhalt des Friedens in der Welt beizutragen. Deshalb müssten die Möglichkeiten der EU zum raschen Einsatz in Krisengebieten verbessert werden, heißt es in der Gipfelerklärung. Dazu gehörten "flexiblere und einsetzbarere" EU-Gefechtsverbände. Diese sogenannten Battlegroups mit rund 1500 Soldaten aus mehreren Staaten gibt es seit 2005, sie wurden bisher aber nie an einem Krisenherd eingesetzt. Die Staats- und Regierungschefs fordern zudem eine Abwehrstrategie gegen Cyber-Angriffe.

Nicht allen Staaten gefiel der neue Enthusiasmus Europas im Verteidigungsbereich. Großbritanniens Premierminister David Cameron sprach sich zwar ebenfalls für eine engere Zusammenarbeit aus, lehnte gemeinsame europäische Streitkräfte aber kategorisch ab. Es sei "nicht richtig, wenn die EU eigene Fähigkeiten hat, Armeen, Luftstreitkräfte und so weiter". In seiner Erklärung betonte der Gipfel dann, es gehe nicht um eine Abgrenzung von der NATO, sondern um ihre Ergänzung.

Der französische Präsident François Hollande erneuerte unterdessen erfolglos seine Forderung nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung der EU an militärischen Auslandsmissionen seines Landes. Frankreich habe in Afrika die Initiative ergriffen und dafür von fast allen EU-Staaten Unterstützung erhalten. "Und nun müssen dieser politischen Unterstützung auch finanzielle Zusagen folgen." Doch eine finanzielle Unterstützung für die konkreten Einsätze in der Zentralafrikanischen Republik und Mali findet sich nicht in dem verabschiedeten Papier zur Außen- und Sicherheitspolitik.

Keine Wirtschaftsreformen, Tausende protestieren in Brüssel

Beim Abendessen wurde deutlich, dass Merkel mit ihrer wirtschaftspolitischen Reformagenda in Europa vorerst nicht vorankommt. Ihr Versuch, die EU-Staaten mit verpflichtenden Verträgen dazu zu bringen, ihre Wirtschaftssysteme wetterfest zu machen, wurde auf die lange Bank geschoben. Entscheidungen dazu soll es erst im Juni kommenden Jahres geben.

Bei dem zweitägigen Treffen werden die Staatenlenker am Freitag den Beschluss ihrer Außenminister bestätigen, mit dem Beitrittskandidaten Serbien im Januar kommenden Jahres Verhandlungen zu beginnen. Auf der Agenda steht auch die Krise in der Ukraine. Das pleitebedrohte Land wandte sich Russland zu - Staatspräsident Viktor Janukowitsch verweigerte Ende November die Unterschrift unter das fertig verhandelte Partnerschaftsabkommen mit der EU. Die Union will trotz der enormen Spannungen die Türe für die Ukraine offenhalten.

Auf den Brüsseler Straßen protestierten etwa 10.000 Menschen gegen die Sparpolitik der europäischen Regierungen. Am Rande kam es zu Ausschreitungen, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga berichtete. Demonstranten blockierten Straßen und rissen Absperrungen nieder. Die Sicherheitskräfte nahmen knapp 80 Menschen vorläufig

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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