EU-Gipfel:Sozialisten warnen vor Barroso-Benennung

Die geplante rasche Wiederwahl von Barroso, Präsident der EU-Kommission, scheint sich zu verzögern: Die Sozialisten fordern klare Rechtsgrundlagen.

Der bisherige Vorsitzende der Sozialisten-Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, hat die EU-Staats- und Regierungschefs gewarnt, bei ihrem Gipfel EU-Kommissionschef José Manuel Barroso für eine zweite Amtszeit aufzustellen. "Ich werde Barroso nicht wählen und werde meinen Kollegen empfehlen, das gleiche zu tun", sagte Schulz am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Brüssel. Die Bilanz der ersten Amtszeit Barrosos sei negativ. Er verfüge über keine Mehrheit im Europaparlament. Auf dem EU-Gipfel soll an diesem Donnerstag und Freitag soll Barroso nominiert werden. Das Europaparlament muss ihn anschließend bestätigen.

EU-Gipfel: Zuversichtlich: EU-Kommisionschef Barroso.

Zuversichtlich: EU-Kommisionschef Barroso.

(Foto: Foto: AP)

Nominierung erst im September

Schulz warnte die Gipfelrunde vor einem Konflikt mit dem Parlament. "Im Parlament wissen wir noch gar nicht, wie viele Fraktionen zugelassen werden", sagte er. Die Konstituierung ist für den 14. Juli geplant. Schulz plädierte deshalb dafür, die Nominierung des neuen Kommissionschefs auf den September zu verschieben.

"Im Europa-Parlament gibt es derzeit keine Mehrheit für Barroso ohne Stimmen der Anti-Europäer", sagte Schulz. Barroso dürfe sich nicht von diesen Stimmen abhängig machen.

Gegen eine schnelle Wahl

Sozialisten, Grüne und Teile der Liberalen im Europaparlament sind gegen eine schnelle Wahl Barrosos. Sie hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs gedrängt, den ursprünglich auf dem Gipfel geplanten Beschluss über eine zweite fünfjährige Amtszeit Barrosos aufzuschieben.

Schulz hat seinen Vorschlag für eine Verschiebung der Nominierung auch schriftlich der amtierenden tschechischen und nächsten schwedischen Ratspräsidentschaft mitgeteilt. Zunächst müsse die Rechtsgrundlage für die kommende EU-Kommission - ob nach dem derzeitigen Nizza-Vertrag oder dem künftigen Lissabonner Vertrag - geklärt werden. "Die sollen die Kungelei jetzt sein lassen und besser einen anderen Kandidaten suchen und die Rechtslage klären", sagte Schulz.

Ungeachtet der Kritik sprach sich die Union im Bundestag für eine zweite Amtszeit von Barroso aus. Nach den Stimmengewinnen von Christdemokraten und Konservativen bei der Europawahl gebe es überhaupt keinen Grund, den bisherigen Amtsinhaber nicht erneut vorzuschlagen, erklärten Redner von CDU/CSU.

Der bisherige Europaparlaments-Präsident Hans-Gert Pöttering (CDU) ließ in Brüssel offen, ob das neu gewählte Parlament bereits bei seiner ersten Sitzung Mitte Juli über Barroso abstimmen wird. Dies müssten die Fraktionen entscheiden, die am 9. Juli erstmals zusammenkommen, sagte Pöttering bei einem Treffen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) kurz vor dem EU-Gipfel.

"Mann des Ausgleichs"

Die EVP will Barroso durchsetzen. "Wir halten an Barroso fest", sagte der Vize-Präsident der EVP, Peter Hintze (CDU), der Deutschen Presse-Agentur dpa in Brüssel. "Gerade in Zeiten einer schweren ökonomischen Krise kommt es auf die politische und personelle Stabilität in der EU an."

Auch Österreichs sozialdemokratischer Bundeskanzler Werner Faymann hat sich unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfels für eine neue Amtszeit von Barroso als EU-Kommissionspräsident ausgesprochen. "Ich kann in den acht Monaten, in denen ich seine Arbeit verfolge, nicht ein Beispiel sagen, wo er sich nicht an einen Beschluss oder eine klare politische Vorgabe der Regierungschefs oder des Parlaments gehalten hätte", sagte Faymann vor Journalisten über den Portugiesen. "Er ist ein Mann des Ausgleichs."

"Mehr Europa, nicht weniger"

Faymann stellte sich damit gegen die sozialdemokratischen Abgeordneten des Europaparlaments, die Barroso nicht wieder wählen wollen. "Er ist der einzige Kandidat. Und wenn man gegen den einzigen Kandidaten etwas vorzubringen hätte, dann müsste das etwas Schwerwiegendes sein. Das kann ich nicht", sagte Faymann. Er teile nicht die politische Haltung Barrosos, "aber seine Arbeit ist sehr korrekt". Die Staats- und Regierungschefs wollten lediglich eine politische Entscheidung treffen. Über die formelle Nominierung werde dann mit dem Parlament beraten.

Barroso sieht seinen politischen Auftrag für eine zweite Amtszeit in einer weiteren Stärkung gemeinsamer Politik in Europa. "In Krisenzeiten brauchen wir mehr denn je eine starke Europäische Union und eine starke EU-Kommission", heißt es in dem Schreiben. "Wir brauchen mehr Europa, nicht weniger. Europa muss sich auf das konzentrieren, wo es Mehrwert schaffen kann." Die EU müsse die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten aus der Krise führen und "den Weg für ein klügeres, grüneres und nachhaltigeres Wachstum bereiten".

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