EU-Gipfel:Scholz will unpolitische Entscheidung über Nord Stream 2

EU-Gipfel: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz wollen in Energiefragen künftig stärker zusammenarbeiten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz wollen in Energiefragen künftig stärker zusammenarbeiten.

(Foto: Reuters)

Über die Zulassung der umstrittenen Gas-Pipeline von Russland nach Deutschland befinde in Deutschland eine Behörde, erklärte der Kanzler im Anschluss an den Gipfel in Brüssel. Die Sanktionen gegen Russland haben die Staats- und Regierungschefs verlängert. Frankreich und Deutschland wollen in Energiefragen stärker zusammenarbeiten.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich dagegen ausgesprochen, die Betriebserlaubnis für die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 mit den Bemühungen um eine Deeskalation in der Ukraine-Krise zu verknüpfen. "Es handelt sich im Hinblick auf Nord Stream 2 um ein privatwirtschaftliches Vorhaben", sagte er in der Nacht zu Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Für die Inbetriebnahme sei nun noch in einem Teilaspekt die Übereinstimmung mit europäischem Recht zu klären. "Darüber entscheidet ganz unpolitisch eine Behörde in Deutschland", betonte der SPD-Politiker. Dies sei "eine andere Frage" als die aktuellen Bemühungen darum, eine Verletzung der ukrainischen Grenzen zu verhindern.

Die Ostseepipeline von Russland nach Deutschland wurde vor Wochen fertiggestellt. Über die Betriebserlaubnis entscheidet die Bundesnetzagentur. Die Pipeline wird seit Langem von den USA, aber auch von einigen EU-Ländern scharf kritisiert. Sie befürchten eine zu große Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung.

Die EU hatte Russland auf ihrem Gipfel für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine geschlossen mit Vergeltung gedroht. In einer gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs heißt es, Russland müsse dringend die Spannungen entschärfen, die durch den Aufmarsch von Truppen an der Grenze zur Ukraine und aggressive Rhetorik entstanden seien. Jede weitere militärische Aggression werde "massive Konsequenzen und hohe Kosten" zur Folge haben.

In dem Konflikt in der Ostukraine stehen sich seit 2014 Truppen der Kiewer Regierung und von Moskau unterstützte Separatisten gegenüber. Derzeit gilt eigentlich ein Waffenstillstand. Er wird allerdings zunehmend immer wieder verletzt und seit Wochen sorgen in der EU erhebliche russische Truppenbewegungen in Richtung der Ukraine für Besorgnis. US-Außenminister Antony Blinken hatte Anfang Dezember gesagt, man sei "zutiefst besorgt über Beweise dafür, dass Russland Pläne für bedeutende aggressive Schritte gegen die Ukraine erstellt" habe.

EU verlängert Sanktionen gegen Russland

Die bereits bestehenden Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Russland haben die Staats- und Regierungschefs der EU um weitere sechs Monate verlängert, erklärte Frankreichs Präsident Macron im Anschluss an den Gipfel. Die EU hatte die Handels- und Investitionsbeschränkungen trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen nach dem mutmaßlichen Abschuss eines malaysischen Flugzeugs mit 298 Menschen über der Ostukraine im Juli 2014 verhängt. Nach UN-Schätzungen wurden seit Ausbruch des Konflikts schon mehr als 13 000 Menschen getötet. Die EU-Sanktionen wurden zuletzt im Juli bis zum 31. Januar des kommenden Jahres verlängert. Sie werden nun bis Ende Juli 2022 gelten.

Nach der aktuellen EU-Beschlusslage kann Russland erst auf eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen hoffen, wenn die Vereinbarungen des sogenannten Minsker Friedensplans komplett erfüllt sind. Mit der Koppelung der Sanktionen an den Plan wollen die EU-Staaten den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu bewegen, seinen Einfluss auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine stärker für eine Beilegung des Konfliktes zu nutzen.

Die Gespräche zwischen den Staats- und Regierungschefs über die Energiepolitik sind am späten Donnerstagabend ohne eine Einigung zu Ende gegangen. "Wir haben festgestellt, dass es unterschiedliche Meinungen am Tisch gab und wir keine Einigung über die vorgelegten Schlussfolgerungen erzielen konnten", sagte der Vorsitzende des EU-Gipfels und Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel.

Die Staaten diskutierten darüber, wie sie auf die hohen Energiepreise und die bevorstehenden Regeln für grüne Investitionen reagieren sollen. Einige Staaten versuchten, die Europäische Kommission zu drängen, noch in diesem Monat die Regeln für ihre "nachhaltige Finanztaxonomie" vorzuschlagen. Michel zufolge würden die Staats- und Regierungschefs die Themen bei einem zukünftigen Treffen erneut diskutieren.

Scholz und Macron wollen in Energiefragen enger zusammenstehen

Scholz und Macron wollen in der Frage jetzt verstärkt gemeinsam vorgehen. Es geht um die Frage, welche Energieformen mit der sogenannten Taxonomie künftig in der EU als nachhaltig eingestuft werden. Frankreich will die Atomenergie als nachhaltig anerkannt sehen. Deutschland Erdgas. Scholz und Macron erklärten, einzelne EU-Länder gingen verschiedene Wege, um klimaneutral zu werden.

Macron sagte, es gehe auch nicht darum, Atomenergie mit der sogenannten Taxonomie als gleichwertig zu erneuerbaren Energien einzustufen. Atomenergie solle vielmehr als nichtfossile Energie eingestuft werden. Mit der Taxonomie sollen Technologien ein Label als nachhaltig und unschädlich erhalten, damit die Finanzströme verstärkt in grüne Technologien geleitet werden.

Scholz sagte, dass der Streit um die Taxonomie "völlig überbewertet" werde. Diese Einstufung sei wichtig für Finanzanleger. Aber am Ende entschieden die Länder, welchen Weg sie in der Energieerzeugung gehen wollten. "Die Taxonomie ist ein kleines Thema in einer ganz großen Frage", sagte er.

Deutschland hatte den Wunsch Frankreichs, Atomenergie als nachhaltig einzustufen, bisher abgelehnt. Besonders die Grünen sind gegen ein nachhaltiges Label für Nuklearenergie.

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