Süddeutsche Zeitung

Streitfall Ungarn:16 EU-Staaten solidarisieren sich mit LGBTI-Gemeinschaft

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag zeigen sich Bundeskanzlerin Merkel und 15 weitere Staats- und Regierungschefs erneut besorgt über die Bedrohung von Grundrechten. Hintergrund ist das neue Homosexuellen-Gesetz in Ungarn.

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und 15 weitere Staats- und Regierungschefs besorgt über die Bedrohung von Grundrechten und die Diskriminierung sexueller Minderheiten geäußert. "Wir müssen weiterhin gegen die Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft kämpfen und erneut bekräftigen, dass wir ihre Grundrechte verteidigen", schrieben sie in einem gemeinsamen Brief an die Spitzen der Europäischen Union. Die englische Abkürzung LGBTI steht kurz für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans, Intersexuell.

"Respekt und Toleranz sind das Herzstück des europäischen Projekts", heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben. "Wir sind entschlossen, diese Anstrengungen fortzuführen und dafür zu sorgen, dass die künftigen Generationen Europas in einem von Gleichberechtigung und Respekt geprägten Umfeld aufwachsen." Der Brief nennt als Anlass zwar den International Lesbian Gay Bisexual and Transgender Pride Day am 28. Juni. Die mögliche Diskriminierung sexueller Minderheiten ist jedoch auch Streitthema beim EU-Gipfel, der am Donnerstagnachmittag in Brüssel beginnt.

Dabei geht es um ein neues Gesetz in Ungarn, das den Zugang zu Informationen über Homo- und Transsexualität für Kinder beschränkt. 17 EU-Staaten hatten bereits zu Beginn der Woche gegen das Gesetz protestiert. In einem gemeinsamen Schreiben hatten sie am Dienstag gefordert, dass die EU-Kommission als "Hüterin der Verträge" alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen müsse, um die Einhaltung von EU-Recht sicherzustellen. Dazu gehöre auch, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen. Das ungarische Gesetz verletze das Recht auf Meinungsfreiheit und stelle eine deutliche Diskriminierung von Menschen dar, die lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, intersexuell oder queer seien. Am Mittwoch kündigte dann EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, gegen das Gesetz vorzugehen, das eine "Schande" sei.

Das am Dienstag vergangener Woche vom ungarischen Parlament gebilligte Gesetz sieht unter anderem ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus soll "Werbung" verboten werden, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Viktor Orbán, dem Kritiker vorwerfen, Vorurteile gegenüber Minderheiten zu schüren. Sie sehen darin die Bemühung, im EU-Land Ungarn eine homofeindliche Zensur nach russischem Vorbild einzuführen.

Bis auf Österreich trugen alle die Staaten, die bereits die erste Erklärung am Dienstag unterzeichnet hatten, auch den aktuellen Brief der Staats- und Regierungschefs mit. Darunter sind neben Deutschland die übrigen EU-Gründerstaaten Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg. Von den östlichen EU-Staaten machten nur Estland und Lettland mit. Länder wie Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechien, Slowenien, Kroatien, Bulgarien oder Rumänien fehlen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5332162
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/berj/kast
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.