Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:EU will Klimaneutralität bis 2050 - Polen noch nicht

  • Am frühen Morgen haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf einen Kompromiss geeinigt, wie die EU bis 2050 klimaneutral werden soll.
  • Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein kompletter Umbau von Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft notwendig.
  • Polen erhielt eine Ausnahmeregelung, man werde in einem halben Jahr auf das Thema zurückkommen. Das Land fordert milliardenschwere Finanzhilfen zur Umsetzung des Plans.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Die EU will als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral werden. Darauf einigten sich die EU-Regierungen am frühen Freitagmorgen nach stundenlangen Verhandlungen in Brüssel. Zugleich hob Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hervor, dass sein Land eine Ausnahmeregelung erhalten habe. Man werde in einem halben Jahr auf das Thema zurückkommen, heißt es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels.

Der entscheidende Absatz macht klar, wie hart um einen Kompromiss gerungen wurde: "Angesichts der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Notwendigkeit, den weltweiten Klimaschutz zu intensivieren, unterstützt der Europäische Rat das Ziel, bis 2050 im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris eine klimaneutrale Union zu erreichen. Ein Mitgliedstaat kann sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verpflichten, dieses Ziel für sich umzusetzen, und der Europäische Rat wird im Juni 2020 darauf zurückkommen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den Klimakompromiss beim EU-Gipfel in Brüssel als "großen Fortschritt". "Ich bin unter den gegebenen Umständen recht zufrieden", sagte sie in der Nacht zum Freitag nach Abschluss des ersten Gipfeltages in Brüssel. "Es gibt keine Spaltung Europas in verschiedene Teile, sondern es gibt einen Mitgliedstaat, der noch etwas Zeit braucht, um zu überlegen, wie das implementiert wird. Aber ich denke, wir haben eine gute Aussicht auf einen guten Erfolg."

Vor Beginn des Gipfels waren auch Tschechien und Ungarn noch nicht bereit gewesen, das Ziel der Klimaneutralität mitzutragen. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš hatte geltend gemacht, dass auch Atomkraft als saubere Energiequelle anerkannt werden müsse. Um die Regierungen aus Budapest und Prag zufriedenzustellen, wurde folgender Satz aufgenommen: "Einige Mitgliedstaaten haben erklärt, dass sie als Teil ihres nationalen Energiemixes Kernenergie nutzen." Mit welchem Energiemix die einzelnen Staaten ihre Emissionen senken, ist ihre eigene Entscheidung. "Sie wissen, dass Deutschland aus der Kernenergie aussteigen wird. Andere Länder werden das nicht tun. Aber was zählt, ist das gemeinsame Ziel", sagte Merkel.

Klimaneutralität 2050 bedeutet, dass dann alle Treibhausgase vermieden oder gespeichert werden müssen, sei es in Wäldern oder unter der Erde. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein kompletter Umbau von Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft und die Abkehr von Kohle, Öl und Gas notwendig. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch in ihrem "Green Deal" einen Fahrplan vorgestellt, wie dies binnen 30 Jahren möglich sein soll. Ratspräsident Michel wollte nun unbedingt, dass sich die EU-Staaten hinter das Ziel stellen.

Hintergrund der Forderungen der Osteuropäer ist vor allem, dass sie Sicherheit über die EU-Finanzhilfen für den Umbau ihrer Volkswirtschaften haben wollen. Polen bezieht seine Energie seit Jahren vor allem aus der Kohleverstromung. Im Juni 2020 werde man hoffentlich mehr Klarheit über die künftigen EU-Finanzen von 2021 bis 2027 haben, sagte Bundeskanzlerin Merkel mit Blick auf die milliardenschweren polnischen Forderungen.

Zuvor verständigten sich die Staats- und Regierungschefs bei dem Spitzentreffen in Brüssel darauf, die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland trotz der Wiederbelebung des Friedensprozesses für die Ostukraine bis Ende Juni 2020 zu verlängern.

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