EU-Gipfel in Brüssel:EU bringt Junckers Milliarden-Investitionsfonds auf den Weg

EU heads of states and governments

Das erste Gipfeltreffen, das Donald Tusk als Präsident des Europäischen Rates leitet, dreht sich vor allem um Geld.

(Foto: dpa)
  • Auf dem EU-Gipfel in Brüssel geben die 27 anwesenden Staats- und Regierungschefs den lang erwarteten Startschuss für eine Investitionsoffensive in ganz Europa.
  • Sie segnen das von Kommissionspräsident Juncker vorgeschlagene Investitionspaket über mindestens 315 Milliarden Euro ab.
  • Beim Abendessen wird über Russland diskutiert. Der Rubel-Absturz bereitet den Gipfelteilnehmern Sorgen: Dieser schade auch der Ukraine, Europa und der ganzen Welt.

Von Daniel Brössler, Javier Cáceres und Cerstin Gammelin, Brüssel

Das erste Gipfeltreffen, das Donald Tusk als Präsident des Europäischen Rates am Donnerstag in Brüssel leitete, drehte sich vor allem um Geld. Konkret um jene Investitionen, welche die Europäische Union zwischen 2015 und 2017 europaweit für nötig hält: im Wert von zusätzlich mindestens 315 Milliarden Euro. Und um jenes Geld, auf das in diesen Tagen die Ukraine hofft, um über den Winter zu kommen.

Am frühen Abend einigten sich die 27 Staats- und Regierungschefs (der Niederländer Mark Rutte war wegen eines Koalitionsstreits zu Hause geblieben und hatte sich vom Luxemburger Xavier Bettel vertreten lassen) auf das von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagene Investitionspaket. Sie gaben damit den lang erwarteten Startschuss für eine Investitionsoffensive in ganz Europa.

Projekte im Wert von 1300 Milliarden Euro

Die Chefs forderten die Behörde auf, im Januar 2015 einen Gesetzesvorschlag zur Gründung eines Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) vorzulegen. Über diesen Fonds sollen insgesamt 315 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Die 28 EU-Länder haben dazu Projekte im Wert von 1300 Milliarden Euro zusammengestellt, die je nach Baureife über den Fonds gefördert werden sollen. Über die Vergabe soll ein Gremium entscheiden, das bei der Europäischen Investitionsbank angesiedelt wird. Seine Mitglieder sollen bis Juni 2015 feststehen.

Der Investmentfonds soll zunächst mit 21 Milliarden Euro aus EU-Töpfen ausgestattet werden. Luxemburg, Litauen und Österreich kündigten an, nationale Beiträge in den Fonds einzuzahlen. Andere Regierungen wollen erst noch die konkreten Bedingungen abwarten. Auch Deutschland hat sich noch nicht entschieden. "Es gibt keinen Grund, nicht einzuzahlen", sagte Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der am Gipfel teilnahm. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz erklärte: "Man kann nicht Hoffnungen wecken und dann sagen: Wir haben kein Geld".

Um die Regierungen zum Einzahlen in den Fonds zu motivieren, will die EU-Kommission die nationalen Beiträge, die von den einzelnen Ländern direkt oder über staatliche Kreditbanken wie die deutsche KfW überwiesen werden können, nicht als Schulden, sondern als Anlagen deklarieren - und damit nicht auf die Defizite anrechnen lassen.

Damit sollen Investitionen für hochverschuldete Länder erleichtert werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel war damit zunächst nicht zufrieden, sie feilte in einem längeren Vier-Augen-Gespräch mit Hollande an der genauen Formulierung. Italiens Premier Matteo Renzi wurde nicht unterstützt bei seiner zusätzlichen Forderung, auch die nationale Ko-Finanzierung von Projekten nicht auf das Defizit anzurechnen.

Merkel verteidigt internationale Handelsabkommen

Die meisten Staats- und Regierungschefs waren am Donnerstag schon mittags in Brüssel eingetroffen, um sich auf diversen Vortreffen zu besprechen. In einem Luxushotel nahe des Ratsgebäudes fand ein außergewöhnlicher Minigipfel statt: Sieben Ministerpräsidenten (Italien, Spanien, Finnland, Großbritannien, Schweden, Dänemark und Polen) trafen sich, um dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP Schwung zu verleihen.

Merkel kam nicht zum Handelsgipfel. EU-Diplomaten berichteten allerdings, sie habe am Gipfeltisch eine "regelrechte Verteidigungsrede" für internationale Handelsabkommen gehalten und skeptische Kollegen wie Österreichs Bundeskanzeler Werner Faymann aufgefordert, sich kurz in die Lage der Handelspartner wie Kanada oder die USA zu versetzen. Beide Länder bestehen darauf, internationale Schiedsgerichte in die Handelsverträge aufzunehmen, weil sie sich so rechtliche Sicherheit für ihre Investitionen erhoffen. Diese Gerichte sind umstritten.

"Wir sollten heute ein starkes Zeichen der Solidarität mit der Ukraine setzen"

Das Abendessen hatte Tusk für die "strategische Debatte" über den Umgang mit Russland reserviert. Die EU benötige eine "harte und verantwortungsvolle Strategie gegenüber Russland", sagte er. Beim Abendessen sollte auch über die Lage an den östlichen Außengrenzen der EU geredet werden. "Wir sollten heute ein starkes Zeichen der Solidarität mit der Ukraine setzen - auch finanziell", bat Tusk.

Darum geht es. Die neue ukrainische Regierung hofft auf mehr als gute Worte aus Brüssel. Eine konkrete Zusage, die bereits beträchtliche Finanzhilfe für Kiew aufzustocken, zeichnete sich zunächst nicht ab, jedenfalls nicht ohne Weiteres. Das Handeln der EU ziele darauf ab, "die Ukraine weiter zu unterstützen, politisch wie wirtschaftlich", versprach am Morgen im Bundestag Kanzlerin Merkel. "Dabei erwarten wir nach den Wahlen nun auch von der Ukraine entschiedene Schritte zur Modernisierung der Wirtschaft, zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und zur Bekämpfung der Korruption", fügte sie sogleich hinzu.

Mehrere Gipfelteilnehmer wiesen darauf hin, dass der Rubel-Absturz auch der Ukraine schade. "Die Lage Russlands ist keine gute Nachricht. Nicht für die Menschen in Russland, nicht für die Ukraine, nicht für Europa und die Welt", mahnte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Und zumindest der französische Präsident François Hollande empfahl eine vorsichtige Wende: "Wenn Russland Signale sendet, die wir erwarten, gibt es keinen Grund, neue Sanktionen zu verhängen. Wir sollten im Gegenteil schauen, wie wir von unserer Seite eine Deeskalation erreichen können".

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