EU-Gipfel:Green Deal und das Geld

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Die Staats- und Regierungschefs der EU streiten über ehrgeizige Ziele.

Von Karoline M. Beisel, Björn Finke und Matthias Kolb, Brüssel

Als Ursula von der Leyen ihren Klimaplan "Green Deal" am Mittwoch vorstellte, sprach sie von einem "Mann auf dem Mond"-Moment für Europa. Schon am Tag darauf aber wurde klar, dass sich die EU derzeit eher noch in ihrer "Mann auf dem Kran"-Phase befindet: Vor Beginn des EU-Gipfels war es Greenpeace-Aktivisten trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen gelungen, mit einem Transparent am Gebäude des Europäischen Rats mehr Klimaschutz einzufordern. Die Brüsseler Polizei musste mit Kränen anrücken, um Banner und Demonstranten zu entfernen. Die Episode zeigt, dass die EU noch ein Stück davon entfernt ist, die ehrgeizigen Pläne der Kommissionspräsidentin zu verwirklichen. Zu Beginn des ersten Gipfeltages am Donnerstag war noch nicht einmal die Grundfrage geklärt: Können sich die Staats- und Regierungschefs tatsächlich darauf einigen, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden soll, also nicht mehr Schadstoffe in die Atmosphäre entlässt, als gleichzeitig anderswo eingespart werden?

Die neue Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer Ankunft beim Gipfel: Thema ist ihr Klimapaket. (Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

"Ich hoffe, dass das gelingt. Das wäre ein starkes Zeichen", sagte Kanzlerin Angela Merkel, als sie am Donnerstag beim Treffen ankommt. Charles Michel, der als neuer Ratspräsident seinen ersten Gipfel leitete, hatte bereits vorab gesagt, dass die EU mit einer Entscheidung für dieses Ziel eine weltweite Führungsrolle einnehmen könnte - was ganz im Sinne Ursula von der Leyens und ihrer Pläne für eine "geopolitische Kommission" sein dürfte. Sanna Marin, erst seit zwei Tagen Premierministerin von Finnland, mahnte: "Es geht um die Zukunft unserer Kinder."

Aber so einmütig, wie es vor Beginn des Gipfels klang, ist die Lage nicht. Es ist schon der zweite Versuch, sich auf das Ziel für 2050 zu einigen. Als das Thema im Juni auf der Tagesordnung stand, scheiterte eine Einigung an vier Mitgliedstaaten: Estland hat seine Meinung geändert, aber Ungarn, Tschechien und Polen gaben sich vor dem Gipfel weiter zurückhaltend.

"Ohne Atomkraft ist das für die tschechische Republik nicht möglich", sagte Premier Andrej Babiš. Die EU-Kommission und die anderen Regierungschefs müssten daher festschreiben, dass Kernkraft als "saubere Energiequelle" gelte. Tschechien will wegen des Rückgangs bei der Kohle den Anteil der Atomkraft am Strom-Mix bis 2040 auf die Hälfte erhöhen. Manche Länder - etwa Österreich - protestieren aber heftig dagegen, dass es zulässig sein soll, Klimaziele durch den Einsatz von Atomkraft zu erreichen.

Polen dagegen erzeugt 77 Prozent seiner Energie aus Kohle, ein weit höherer Anteil als in den anderen EU-Ländern. "Deshalb sind die Kosten für die Energie-Transformation in Polen auch sehr viel höher als in Ländern, die in den vergangenen Jahrzehnten mehr Glück hatten", sagte Premierminister Mateusz Morawiecki. Er hofft auf Zahlungen aus einem Übergangsmechanismus, den von der Leyen als Element ihres "Grünen Deals" angekündigt hat.

Doch konkrete Finanzzusagen sind schwierig, da die Größe des EU-Haushalts unklar ist. Die Staaten verhandeln gerade über den siebenjährigen Finanzrahmen für 2021 bis 2027. Beim Gipfel stand das Thema auf der Tagesordnung, aber da sollte es nur um den Austausch bekannter Positionen gehen. Die Gespräche sind schwierig, weil die Lücke gefüllt werden muss, die entsteht, wenn der wichtige Beitragszahler Großbritannien die EU verlassen sollte. Am späten Abend verständigten sich die Staats- und Regierungschefs darauf, die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland trotz der Wiederbelebung des Friedensprozesses für die Ostukraine bis Ende Juni 2020 zu verlängern.

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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