EU-Gipfel:Europa vertagt sich

Auch nach stundenlangen Verhandlungen können sich die Staats- und Regierungschefs nicht einigen, wer die EU leiten soll. "Wir haben heute versagt", sagt Frankreichs Präsident Macron.

Von Karoline Meta Beisel und Matthias Kolb, Brüssel

Nach 19 Stunden Suche nach einer konsensfähigen Besetzung der Spitzenposten haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ihren Sondergipfel auf Dienstagvormittag verschoben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kritisierte die Vertagung. "Wir haben heute versagt. Der Rat und auch Europa hinterlassen einen sehr schlechten Eindruck", sagte er und forderte tief greifende Reformen der Arbeitsweise der EU.

Fünf Wochen nach der Europawahl müssen die Chefposten für Europäische Kommission, Europäischen Rat, Europaparlament ebenso neu besetzt werden wie das Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich optimistisch, dass eine Lösung gefunden werden könne, die auch die nötige Zustimmung des Europaparlaments finde. Sie begründete die Vertagung um knapp 24 Stunden am Montagmittag damit, dass die Bedenken einiger osteuropäischer Staaten sowie Italiens beachtet werden müssten. Der Kommissionspräsident muss eine Mehrheit von mindestens 21 Staaten finden, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. "Wir wollen möglichst ein hohes Maß an Konsens erreichen", sagte Merkel und machte klar, dass sie eine solch wichtige Entscheidung für die kommenden Jahre nicht mit knapper Mehrheit gegen große Staaten oder die Visegrád-Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn durchsetzen will.

Deren Widerstand richtet sich vor allem gegen den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans, der als nächster Chef der EU-Kommission im Gespräch ist und momentan die Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission gegen Polen und Ungarn vorantreibt. Das ursprüngliche Paket, über das Merkel mit Macron, Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und dem niederländischen Premier Mark Rutte in Osaka gesprochen hatte, sah vor, dass mit Timmermans ein Spitzenkandidat an die Spitze der EU-Kommission rückt. Die EVP sollte den Außenbeauftragten und den Parlamentspräsidenten stellen. Für Letzteres ist Manfred Weber, der Spitzenkandidat der EVP, im Gespräch. Nach Protesten von anderen Regierungschefs der EVP wurde am Montag über Varianten diskutiert, wonach die Christdemokraten das einflussreichere Amt des Ratspräsidenten erhalten könnten. Als Kandidatin kursierte etwa die Bulgarin Kristalina Georgieva, die als Interimspräsidentin die Weltbank leitet. Laut Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow ist sie aber mittlerweile nicht mehr im Rennen. "Es ist noch alles offen", bilanzierte Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenković.

Eine schnelle Einigung forderte auch CSU-Chef Markus Söder. Europa dürfe sich nicht weiter gegenseitig blockieren, sagte er und beklagte, man habe bisher keinen Sieg der Demokratie erlebt: "Das ist eher ein Triumph des klassischen Hinterzimmers."

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