Süddeutsche Zeitung

EU-Gipfel:Disput über den Deckel

Die Vorschläge der EU-Kommission gegen hohe Gaspreise sind umstritten - wie sich beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zeigen wird. Auch übers Geld werden die Politiker wieder diskutieren.

Von Björn Finke, Brüssel

In der Energiekrise beschwört Ursula von der Leyen Europas Einigkeit, doch wie weit es damit her ist, wird sich beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag zeigen: "Die beste Antwort auf Putins Gas-Erpressung ist die europäische Einheit und Solidarität", sagte die Kommissionspräsidentin am Mittwoch im Straßburger EU-Parlament. Sie stellte dort noch einmal das Paket gegen hohe Gaspreise vor, das ihre Behörde am Vortag präsentiert hatte. Die 27 Staats- und Regierungschefs werden die Vorschläge beim Spitzentreffen in Brüssel beraten - und über manche Aspekte sicher streiten. Denn einige Regierungen hätten sich weitreichendere Vorstöße gewünscht. Andere, etwa die deutsche, sehen harte Markteingriffe dagegen kritisch.

Deutschland und die Niederlande sind gegen den Deckel

Zum Lager der Enttäuschten gehört Spanien. Energieministerin Teresa Ribera sagt, von der Leyens Pläne "hinterlassen immer noch das Gefühl, dass wir nicht mit der nötigen Geschwindigkeit und Intensität handeln". Mehr als die Hälfte der EU-Regierungen, darunter die spanische, forderte in einem Brief an die Kommission, einen staatlichen Preisdeckel für Gas einzuführen. Die Behörde will nun aber lediglich die Möglichkeit schaffen, bei extremen Preisausschlägen eine bewegliche Obergrenze einzuziehen - und das nur für wenige Monate und auf einem hohen Niveau, das nicht den Verbrauch anheizt oder Förderländer verschreckt.

Diese Einschränkungen greifen Sorgen der Deckelgegner Deutschland und Niederlande auf. Die beiden Regierungen warnen, dass künstlich verbilligte Preise die Versorgungssicherheit gefährden. Beim Gipfel würde sich Bundeskanzler Olaf Scholz daher Forderungen nach wirksameren Obergrenzen sicher widersetzen. Andere Teile des Pakets sind hingegen weniger umstritten. So will die Kommission Mitgliedstaaten verpflichten, einen Teil ihrer Gasbestellungen zu bündeln, damit die Europäer mehr Nachfragemacht haben.

Der Doppelwumms schürt Ängste

Einige Mitgliedstaaten werben auch dafür, EU-weit den Gaseinkauf der Gaskraftwerke zu subventionieren, um den Strompreis zu senken. Spanien und Portugal haben das bereits umgesetzt, allerdings ist dort seitdem der Gasverbrauch der Kraftwerke gestiegen und subventionierter Strom ins Ausland abgeflossen. Ein Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, fordert die Kommission auf, einen Vorschlag auszuarbeiten, der aber die Risiken und Nebenwirkungen vermeidet. Das dürfte schwierig werden.

Die Staats- und Regierungschefs werden zudem diskutieren, wie die EU ihre Mitglieder finanziell unterstützen kann im Kampf gegen die Energiekrise. Deutschlands 200 Milliarden Euro schwerer Abwehrschirm schürt die Angst vor unfairem Wettbewerb. Schließlich können sich nicht alle Regierungen solche Pakete für Bürger und Firmen leisten.

Von der Leyen regt an, ungenutzte EU-Fördermittel umzuwidmen, sodass Regierungen sie für Hilfsprogramme nutzen können. Zudem will die Präsidentin die Mitgliedstaaten mit Fördergeldern dabei unterstützen, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen - wo die Milliarden dafür herkommen sollen, lässt sie offen.

Manche Regierungen und auch die EU-Kommissare Paolo Gentiloni aus Italien und Thierry Breton aus Frankreich verlangen schon, dass die Kommission einen neuen schuldenfinanzierten Hilfstopf aufsetzt. Als Vorbild nennen sie das EU-Programm Sure. Das gewährt Regierungen günstige Darlehen zur Finanzierung von Kurzarbeitergeld. Für den 100 Milliarden Euro schweren Sure-Topf hat die Kommission Schulden aufgenommen, für welche die Mitgliedstaaten bürgen.

Die Bundesregierung lehnt allerdings neue EU-Schulden ab, genau wie die niederländische Regierung. Diese Gegner argumentieren, dass es in den bereits vorhandenen Brüsseler Hilfstöpfen, etwa dem Corona-Wiederaufbaufonds, noch genug ungenutzte Mittel gebe. Im Entwurf der Schlussfolgerungen heißt es zu dem heiklen Thema reichlich vage, dass die 27 Regierungen "weiter bereitstehen, gemeinsame EU-Lösungen zu entwickeln".

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