Süddeutsche Zeitung

EU-Flüchtlingszentren in Afrika:"Apokalyptische Vision"

  • Innenminister Thomas de Maizière fordert erneut EU-Auffanglager für Flüchtlinge außerhalb Europas.
  • Pro Asyl reagiert mit heftiger Kritik.
  • Vor Italiens Küste sterben 17 Flüchtlinge.

"Willkommenszentren" statt "Auffanglager"

Asyl- oder Willkommenszentren der Europäischen Union in Afrika - was der Europäische Rat der Innenminister derzeit diskutiert, klingt besser als Auffang- oder Flüchtlingslager. Worum es geht, hat unlängst Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière erklärt.

Die Zentren sollen es möglich machen, Flüchtlinge von einer lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer Richtung Europa abzuhalten. Und zwar indem bereits auf dem afrikanischen Kontinent geprüft wird, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht. Das soll nicht nur die EU-Außengrenzen stärken, sondern auch Schleusern das Geschäft mit der Not der Flüchtlinge erschweren. Bei der Einrichtung der Zentren würde die EU eng mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zusammenarbeiten.

Jedes Jahr sterben im Mittelmeer Tausende Migranten. Anfang November hatte die EU-Grenzschutzbehörde mit dem Einsatz "Triton" das italienische Flüchtlings-Rettungsprogramm "Mare Nostrum" abgelöst. Menschenrechtler kritisieren, dass bei "Triton" vor allem die Grenzsicherung im Mittelpunkt stehe und nicht mehr die Rettung von Menschen in Not.

Bereits im Oktober hatten die EU-Innenminister beschlossen, dass eine neue Strategie notwendig sei, um zu verhindern, dass weiterhin tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken. Als eine Möglichkeit gelten Lager in Transitstaaten.

"Weiterer Festungswall um Europa"

Menschenrechtsorganisationen sind nicht begeistert. "Dieser Plan ist unrealistisch und wird eher dazu führen, dass die Menschen doch illegal auf das Meer gehen, um nach Europa zu gelangen", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. "Da wird nur ein weiterer Festungswall um Europa gezogen."

Bei einem erneuten Ministertreffen am Freitag in Brüssel hat de Maizière trotzdem gefordert, die Einrichtung zu prüfen. Auch wenn es viele Gegenargumente gebe. "Der jetzige Zustand ist, dass die Starken sich durchsetzen", sagte de Maizière. "Dass Frauen und Mädchen in Bordellen in Europa landen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken und das noch mit wahnsinnigen Gewinnen von diesen Menschenhändlern."

Einem Teil der Flüchtlinge könne in den Lagern auch die legale Einreise nach Europa angeboten werden, sagte der Bundesinnenminister. "Letztlich ist es wohl richtig, dass man auch legale Wege nach Europa schaffen muss."

Pro Asyl überzeugen die Argumente nicht, Burkhardt bezeichnet sie umgehend als Augenwischerei. Notwendig wären dann gigantische Zeltstädte, in denen hunderttausende Menschen leben müssten. "Das ist eine apokalyptische Vision." Zudem gebe es in den Ländern Nordafrikas keine rechtsstaatlichen Garantien für die Prüfung von Asylanträgen.

"Wie soll denn in Ländern wie Ägypten oder Libyen, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, ein Transitzentrum betrieben werden?" Dort hätten die Menschen "keine Chance auf ein Asylverfahren nach europäischem Standard."

Menschen auf der Flucht würden sich wahrscheinlich ohnehin kaum freiwillig in die Lager begeben, sagte Burkhardt weiter. "Warum sollte man monatelang in einem Camp ausharren, wenn man weiß, dass Europa doch kaum jemanden aufnimmt."

Der Pro-Asyl-Vertreter forderte die EU-Innenminister auf, stattdessen legale Möglichkeiten zur Einreise nach Europa zu schaffen. "Das Problem der illegalen Einreise könnte man lösen, indem man Visa verteilt oder sich am Aufnahmeprogramm des UNHCR beteiligt."

17 Flüchtlinge sterben an Unterkühlung und Dehydrierung

Am Freitagmorgen kamen nach Angaben der italienischen Marine erneut 17 Flüchtlinge auf einem Schlauchboot vor der italienischen Küste ums Leben. Vermutlich starben sie an Unterkühlung und Dehydrierung. Die Migranten seien auf dem Weg von Libyen nach Italien gewesen, berichteten italienische Medien.

Insgesamt konnten am Donnerstag 278 Migranten von drei verschiedenen Booten südlich der Insel Lampedusa gerettet werden.

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