Europäische Flüchtlingspolitik:EU in Not

EU leaders meet to discuss situation and flow of migrants in Euro

Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und UN-Flüchtlingskommissar António Guterres nach dem Gipfel.

(Foto: dpa)

Der am Sonntag in Brüssel beschlossene 17-Punkte-Plan öffnet einen Pfad aus dem Chaos auf dem Balkan. Doch die grundlegenden Probleme der EU löst er nicht. Nach den Flüchtlingen wird die Union sich selbst retten müssen.

Kommentar von Daniel Brössler

Wie fürchterlich die Lage der Europäischen Union ist, lässt sich dieser Tage an ihren Erfolgen ablesen. Vier Seiten und 17 Punkte lang ist die Erklärung, auf die sich die Regierungschefs von acht EU-Staaten und drei Kandidatenländern in einer nächtlichen Sitzung verständigt haben. Es sei unakzeptabel, ist da etwa lesen, Flüchtlinge einfach durchzuwinken, ohne die Nachbarstaaten zu informieren. Es ist gut, dass sich die Anrainer der Westbalkan-Route auf einen Maßnahmenkatalog verständigt haben, der den Flüchtlingen menschliche Behandlung und den betroffenen Staaten ausreichende Unterstützung durch die Union und die Nachbarn zusichert. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das Richtige getan, als er das Treffen zusammengetrommelt hat. Und ja, die Verständigung auf das 17-Punkte-Papier können er und Bundeskanzlerin Angela Merkel tatsächlich als Erfolg verbuchen. Doch was für eine Union ist das, in der die Regelung von Selbstverständlichkeiten wie Informationsaustausch und gegenseitiger Hilfe einer stürmischen Nachtsitzung bedürfen? Es ist eine Union in Not.

Es ist eine Union, die eben nicht durch die Masse der Schutzsuchenden in Gefahr gerät, sondern durch die Kaltschnäuzigkeit der Ruchlosen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der das Problem mit Zäunen umgeleitet hat, ist - wie er selber sagt - nur als "Beobachter" nach Brüssel gekommen. Rotzig ließ er die anderen wissen, dass ihn das alles nichts mehr angehe. Auch der kroatische Regierungschef Zoran Milanović tat so, als sei das alles in Wahrheit nicht sein Problem.

Es sind Momente, in denen sich der Verdacht verstärkt, dass die Aufnahme bestimmter Mitglieder in die EU Folge eines Missverständnisses war. Die Angleichung Tausender Rechtsnormen konnte jedenfalls nicht sicherstellen, dass Einvernehmen über die Grundprinzipien der EU herrscht, vor allem über das der Solidarität. Die zeitweise katastrophale Stimmung während des Mini-Gipfels ist weit mehr als ein atmosphärisches Problem.

Der EU bleibt in dieser Lage erst einmal nichts anderes übrig als praktisches Krisenmanagement. Wenn die 17 Punkte der Brüsseler Einigung tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, so wäre schon viel gewonnen. Wenn Griechenland deutlich höhere Kapazitäten zur Erstaufnahme von Flüchtlingen schafft, wenn die Registrierung gewährleistet, die Versorgung gesichert, die Rückführung Unberechtigter verbessert und die Weiterreise der Schutzsuchenden berechenbar gemacht worden ist, öffnet sich - die Hilfe der beim Gipfel in Brüssel nicht vertretenen Türkei vorausgesetzt - endlich ein Pfad heraus aus dem Chaos. Das wäre nicht das Ende der inneren Krise der EU. Die Union würde aber endlich damit anfangen, sich selbst zu retten.

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