EU-Finanzminister:Zupackend im Machtvakuum

Der geschäftsführende Bundesfinanzminister Altmaier spricht in Brüssel eine deutliche Sprache - auch wenn er eigentlich nichts zu sagen hat. Offiziell ist er Abgesandter einer geschäftsführenden Bundesregierung.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Wenn man so will, bringt Peter Altmaier alles mit, was man in Brüssel braucht. Er spricht nicht nur fließend Französisch, Niederländisch und Englisch; er versteht es auch, komplizierte Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. Bei seinem ersten Auftritt als geschäftsführender Finanzminister in der EU-Kapitale verspricht Altmaier zwar, Kontinuität im Sinne seines Vorgängers zu wahren, aber er hält sich nicht lange daran. Anders als der sibyllinischen Worten nicht gerade abgeneigte Wolfgang Schäuble ist Altmaier klar in der Sache. Besonders bei den Paradise Papers.

"Wir werden die Dokumente gründlich prüfen und auswerten", verspricht der neue Mann aus der Berliner Wilhelmstraße. Die Enthüllungen seien "nicht irgendein Vorgang, sondern ein gewichtiger". Auf die Frage, was er zu den illegalen Praktiken der Niederlande sage, die dem Sportartikelhersteller Nike beim großen Steuervermeiden geholfen habe, antwortet er: "Sie werden es nicht erleben, dass ich einen Mitgliedstaat öffentlich in einer Pressekonferenz attackiere oder versenke." Ein "Name-und-Blame-Game" dürfe es in der EU nicht geben.

Doch so zupackend Altmaier auch spricht, so klar wird an diesem Dienstag auch, dass er nicht entscheidungsfähig ist. Als Abgesandter einer geschäftsführenden Bundesregierung bittet er um Verständnis, dass er "langfristige Entscheidungen nicht vorwegnehmen" dürfe. Während sein französischer Kollege Bruno Le Maire scharfe Sanktionen für Staaten fordert, die sich der Zusammenarbeit im Kampf gegen Steuerflucht verweigern, verweist Altmaier nur darauf, dass die Frage der Sanktionen noch nicht entschieden sei. Immerhin: "Ich bin offen für gute Vorschläge." Er gehe davon aus, dass die EU-Finanzminister die schwarze Liste der Steueroasen Anfang Dezember verabschieden würden.

Noch hat das Machtvakuum in Berlin keine großen Auswirkungen auf europäischer Ebene. Doch das kann sich schnell ändern. Bereits im Dezember wollen die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Euro-Gipfel über die Zukunft der Währungsunion beraten. Sollte es bis dahin noch keine neue Bundesregierung geben, wird Kanzlerin Angela Merkel nicht viel anderes übrig bleiben als Präsenz zu zeigen - und um Rücksicht zu bitten. Altmaier sieht zwar "noch keinen Zeitdruck", denn in der Euro-Frage gebe es "keine Festlegungen vor Jahresende". Die Wahl des neuen Euro-Gruppen-Chefs soll jedoch wie geplant im Dezember stattfinden.

Wie gesagt: Er stehe für Kontinuität. Bei der Euro-Reform ist Altmaier in der Tat ganz nah bei Schäuble. Erst müssten Risiken in den Mitgliedstaaten reduziert werden, bevor es etwa zu einer gemeinsamen Einlagensicherung kommen könne. Sagt es und ist sichtlich stolz, dass er nun an jenem Platz sein darf, den Schäuble in den vergangenen Jahren prägte wie keiner vor ihm. Der nun amtierende Bundestagspräsident war so etwas wie der heimliche Vorsitzende der europäischen Finanzministerrunde. Und auf den beruft sich Altmaier natürlich gerne. Als er gefragt wird, was er von der britischen Premierministerin bei der Brexit-Rechnung erwarte, sagt er: "Würde Wolfgang Schäuble hier noch sitzen, hätte er gelächelt und gesagt: netter Versuch."

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