EU-Beitrittsgespräche:Europa steht am Westbalkan im Wort
Albanien und Nordmazedonien haben eine Beitrittsperspektive verdient. Nur leider verfolgt Frankreichs Präsident Macron seine eigene Strategie.
Kommentar von Matthias Kolb
Klar ist die Botschaft des Briefs. Die EU stehe vor einer "strategischen Wahl", Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien zu eröffnen, schrieben die Präsidenten von EU-Parlament, Europäischem Rat und EU-Kommission vor zwei Wochen. David Sassoli, Donald Tusk, Jean-Claude Juncker und Ursula von der Leyen werben zu Recht für Tirana und Skopje: Sie haben Reformen umgesetzt, die Brüssel gefordert hatte.
In aller Klarheit: Es geht um den Beginn von Verhandlungen, ein Beitritt ist viele Jahre entfernt, und am Ende müssen ihn alle EU-Staaten billigen - auch der Bundestag. Ein Start wäre aber wichtig, denn die EU hat eine Entscheidung für Oktober zugesichert und muss zeigen, dass sie "Versprechen einhalten kann", wie es im Brief heißt. Wer weltweit auf Regeln pocht, muss verlässlich bleiben. Zudem ist die Lage auf dem Westbalkan noch immer fragil: Eine klare Beitrittsperspektive bindet die jungen Gesellschaften dort an Europa - und verringert den Einfluss Chinas und Russlands in der Region.
Kurzsichtig und riskant ist daher Frankreichs Bestreben, den Beginn der Gespräche aus formalistischen Gründen auf Monate zu verschieben, weil man Angst hat vor Marine Le Pen. Der Brief der Präsidenten hat einen Empfänger offenbar nicht überzeugt: Emmanuel Macron verfolgt seine eigene Strategie.