EU:Ein Paradebeispiel für Klientelpolitik

Die Agrarsubventionen für Bauern werden auch künftig vornehmlich an die großen Betriebe gehen. Das ist verheerend für das Klima und die Umwelt.

Von Karoline Meta Beisel

Die Grünen schimpfen, Umweltschützer sind entsetzt: Das, was die Agrarminister und das Parlament für die künftige Landwirtschaftspolitik der EU beschlossen haben, sei ein klassischer Fall von Klientelpolitik - und verheerend für Klima und Umwelt.

Beides stimmt. Die Landwirtschaft trägt mehr als zehn Prozent zum Schadstoffausstoß der EU bei. Diesen zu senken, hat Ursula von der Leyen in das Zentrum ihrer Zeit als Kommissionspräsidentin gestellt. Wenn sich die Mitgliedstaaten und das Parlament in den anstehenden Verhandlungen auf etwas ähnliches einigen wie das, was sie nun in ihren jeweiligen Institutionen beschlossen haben - und davon ist auszugehen -, dürfte mehr Klimaschutz für Bauern weitgehend freiwillig bleiben. Auch künftig dürfte die Höhe der Agrarsubventionen vor allem davon abhängen, wie viele Quadratmeter der einzelne Landwirt bewirtschaftet. So kommt es, dass 80 Prozent der Fördergelder auf nur 20 Prozent der Bauern entfallen. Auch daran dürfte sich wenig ändern.

Richtig ist aber auch, dass gerade im Rat mehr Klimaschutz schlicht nicht zu erreichen war. Das liegt zum einen daran, dass schon der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission für die neue Agrarpolitik nicht sehr ambitioniert war. Er stammt noch aus der Zeit des früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Seine Nachfolgerin von der Leyen hat ihn nicht an ihren Grünen Deal angepasst, was ihr zu Recht vorgeworfen wird. Die Mitgliedstaaten und die Abgeordneten diskutieren aber nur über das, was ihnen die Kommission als Diskussionsgrundlage gibt - in der EU kommt hinten selten mehr raus, als vorne reingesteckt wurde.

Vor allem aber zeigt sich am Beispiel der Agrarpolitik erneut, dass immer dann, wenn in der EU viel Geld auf dem Spiel steht, letztlich nationale Interessen vorgeben, wie weit die Union sich als Ganzes bewegen kann. Fast immer heißt das: Nur so weit, wie jene Mitgliedstaaten, die sich am liebsten gar nicht bewegen würden. Und bei den begehrten Direktzahlungen für Landwirte sind das einige gewesen. Ganz ähnlich funktionierte das im Juli bei den Verhandlungen über den Corona-Topf und das EU-Budget für die kommenden sieben Jahre, bei dem die Agrarförderung mit 387 Milliarden den größten Anteil ausmacht. Auch da wollten die Staats- und Regierungschefs die Verteilung der Gelder nicht an allzu strenge Vorgaben knüpfen.

Bei den Haushaltsverhandlungen hält das Parlament dagegen, es pocht auf strengere Regeln für die rechtsstaatliche Verwendung der Gelder. Bei den anstehenden Verhandlungen über die Agrargesetze ist derartige Gegenwehr allerdings nicht zu erwarten: Im Kern sind die Positionen recht nah beieinander, auch wenn das Parlament einen höheren Anteil des Budgets für Umweltmaßnahmen reservieren will als die Minister. Auch im Parlament sitzen schließlich Abgeordnete, die mit den Stimmen von Bauern gewählt werden wollen, oder gar selbst von den Subventionen profitieren.

Kurioserweise haben es nun erneut die Mitgliedstaaten in der Hand, die Landwirtschaft dennoch grüner zu machen - aber nicht als Kollektiv, die Entscheidung liegt in jeder einzelnen Hauptstadt. Den Beschlüssen zufolge müssen die Mitgliedstaaten in nationalen Plänen selbst darüber bestimmen, wie die Landwirtschaft zum Klimaschutz beitragen soll. Dort kann kein Mitgliedstaat sich damit herausreden, es sei im Kreise der Nachbarn einfach nicht mehr möglich gewesen.

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