EU-Diplomatie:Griechenland ist jetzt Chefsache

EU-Diplomatie: Eisige Stimmung in Athen: Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem (links) und der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis

Eisige Stimmung in Athen: Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem (links) und der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis

(Foto: AP)
  • Die ersten Verhandlungsversuche der EU mit der neuen griechischen Regierung sind gescheitert. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem sorgte für eine diplomatische Misere, Finanzminister Yanis Varoufakis hat die Troika des Landes verwiesen.
  • Auch der Athen-Besuch von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wurde in Brüssel kritisiert, dieser habe sich zu direkt in die Euro-Politik eingemischt.
  • Nun hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Verhandlungen selbst übernommen. Er telefonierte mit mehreren Staats- und Regierungschefs und hat den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras nach Brüssel eingeladen.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Es war eine Mission, die nur schiefgehen konnte. Der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem war am Freitag in seinem Amt als Vorsitzender der Euro-Gruppe nach Athen gereist, um seinen Kollegen aus dem Süden im besten Sinne des Wortes einzunorden. Als der kühl auftretende Niederländer mit dem selbstbewussten Griechen Yanis Varoufakis über die Troika sprechen wollte, war das Treffen schon zu Ende. Während der Grieche lächelnd die Troika aus dem Land verwies, schaute der Niederländer gequält demonstrativ weg. Danach musste er erinnert werden, die Hand zum Abschied zu reichen.

Die griechischen Scherben sind nicht die ersten, die die EU-Partner nach einem Auftritt von Dijsselbloem zusammenfegen müssen. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe mag die Sitzungen der Finanzminister straffer organisieren und schneller zu Ende bringen als sein Vorgänger in diesem Amt, der heutige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Diplomatie oder auch nur das Gespür für Befindlichkeiten zählt dagegen keinesfalls zu seinen Stärken. Als Dijsselbloem Anfang 2013 sein Amt antrat, legte der oberste Euro-Retter umgehend einen Fehlstart hin.

In Interviews hatte Dijsselbloem forsch und nicht mit den Euro-Kollegen abgesprochen die Beteiligung von Anteilseignern, Gläubigern und Großkunden an Zyperns Bankenrettung zum Modellfall erklärt. Der Privatsektor müsse sich darauf einstellen, bei künftigen Rettungsaktionen in anderen Ländern ebenfalls herangezogen zu werden. Nach dem Interview stürzten die Kurse an den Finanzmärkten ab, die EU-Kommission und nationale Finanzminister dementierten die Aussage. Schließlich sagte auch Dijsselbloem, das sei ein Missverständnis gewesen.

Der Eurogruppen-Chef nannte Juncker einen Trinker

Zuvor hatte Dijsselbloem mit seinem selbstsicheren Verhandlungsstil die Gespräche mit dem von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Zypern platzen lassen, der Staatspräsident bestand anschließend darauf, das Kreditprogramm für sein Land auf politisch höchster Ebene zu verhandeln, was dann in einem zweiten Anlauf gelang.

Der Fehlstart Dijsselbloems hätte als Unerfahrenheit des erst seit November 2012 amtierenden Finanzministers abgehakt werden können, wären nicht weitere diplomatische Aufreger gefolgt. So behauptete Dijsselbloem im Sommer 2013 in einer heimischen Fernsehrunde plötzlich, sein Amts-Vorgänger Juncker sei ein verstockter Raucher und trinke gern.

Die Chancen auf eine zweite Amtszeit? Gehen "gegen null"

Dijsselbloem versuchte eine Entschuldigung bei Juncker. Drei Wochen lang habe er Juncker angerufen, doch der habe niemals geantwortet, erzählen niederländische Kollegen in Brüssel. Stattdessen erteilte ihm Juncker praktisch eine diplomatische Lektion. Im vergangenen Jahr wollte Dijsselbloem gern für sein Land EU-Kommissar werden. Doch aus Brüssel verlautetet, man brauche weibliche Kandidaten. Dijsselbloems Bewerbung scheiterte schließlich an Frans Timmermans, einem Vertrauten Junckers.

Nach der diplomatischen Misere in Athen sagte ein hoher EU-Diplomat am Sonntag in Brüssel, Dijsselbloems Chancen auf eine Verlängerung seiner Amtszeit als Vorsitzender der Euro-Gruppe dürften "gegen null" gehen. Im Sommer läuft sein Mandat aus. Immerhin, so hieß es ironisch in Brüssel, hätten Juncker und Dijsselbloem wegen Griechenland "wieder miteinander gesprochen".

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