Europa:Ein ungewöhnliches Projekt

Spannungen am Persischen Golf - Kabinettssitzung

Jean-Yves Le Drian, Außenminister von Frankreich, und Bundesaußenminister Heiko Maas nach der Kabinettssitzung in Paris.

(Foto: dpa)
  • Die Außenministerien Deutschlands und Frankreichs haben ein gemeinsames Papier mit dem Titel "Für ein starkes und souveränes Europa" erstellt.
  • Dort wird die deutsch-französische Verständigung als schicksalhaft für die europäische Zukunft beschrieben.
  • An eine Veröffentlichung des Dokumentes ist nicht gedacht. Arbeitsgruppen sollen sich nun an die konkrete Umsetzung machen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Das Timing mag Zufall gewesen sein, aber ungelegen kann es Heiko Maas vermutlich nicht. Am Mittwoch durfte der deutsche Außenminister teilnehmen an einer Sitzung des französischen Kabinetts. Der Gast aus Berlin erstattete Bericht über den Stand der Beziehungen und über die Reformvorhaben in der Europäischen Union.

So kurz vor dem EU-Gipfel, bei dem die Konflikte zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wieder offen zu Tage treten dürften, konnte sich Maas in Paris ganz anders präsentieren - als Verfechter einer wieder engeren deutsch-französischen Kooperation zum Wohle Europas. Zum Beweis erwähnte er ein Papier, das die Außenministerien beider Länder gerade fertig gestellt haben. Überschrieben ist es "Für ein starkes und souveränes Europa". Das klingt ganz nach der Sorbonne-Rede Macrons, auf die ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel seiner Meinung nach eine adäquate Antwort bis heute schuldig ist. Zuletzt entstand jedenfalls der Eindruck, dass Macron seine Partner lieber anderswo sucht.

Ganz anders das von Maas und seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian in Auftrag gegebenen Papier. Da wird die deutsch-französische Verständigung immer noch als geradezu schicksalhaft für die europäische Zukunft beschrieben. "In einer von Krisen heimgesuchten Welt, die zunehmend von Großmachtrivalitäten bestimmt ist, können weder Deutschland noch Frankreich aus eigener Kraft die Werte und Interessen behaupten, die sie teilen", heißt es da. Es gehe darum, in einer "kraftvollen" EU die Souveränität zu bewahren und wirkungsvoll zu bündeln. "Deshalb müssen Deutschland und Frankreich Gegensätze überwinden und europäische Partner dafür gewinnen, ein starkes und souveränes Europa zu bauen, das die internationale Ordnung im Sinn seiner Werte und Interessen prägen kann", wird appelliert.

"Die Welt um uns wartet nicht auf Europa - wenn wir nicht wollen, dass andere über unsere Köpfe hinweg entscheiden, muss Europa selbst Antworten bieten. Deutschland und Frankreich tragen dafür besondere Verantwortung", begründet Maas seine Initiative mit Le Drian. Mit der Arbeit an dem Papier beauftragten beide kurz nach Unterzeichnung des Aachener Vertrages für mehr deutsch-französische Zusammenarbeit ihre engsten Mitarbeiter. Staatsekretär Andreas Michaelis reiste im Februar zu einem Treffen mit seinem französischen Counterpart Gordo Montaigne nach Paris. Mit von der Partie waren die Chefs der Planungsstäbe, der Ministerbüros und der Abteilungen für Europa- und für Sicherheitspolitik. Treffen zwischen den Ministerien in einem solchen Kreis gelten als ungewöhnlich. Man habe, sagen Teilnehmer, "sehr offen" gesprochen.

In monatelangen Verhandlungen ging es dann darum, deutsche und französische Vorstellungen unter einen Hut zu bekommen. So taucht im Papier die Idee eines europäischen Sicherheitsrates ebenso auf, die vor allem ein deutsches Anliegen ist, wie auch die Forderung nach stärkerer - auch militärischer - Handlungsfähigkeit der EU, die besonders von Frankreich forciert wird. Leitmotiv des ganzen Papiers ist der Wunsch, das Gewicht der EU gegenüber den Großmächten USA, China und Russland zu stärken. In der Praxis erleben deutsche und französische Diplomaten ja gerade, wie wenig sie den Sanktionen entgegenzusetzen haben, mit denen US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen mit Iran zerstören will.

Die Umsetzung könnte schwierig werden

Die beiden Außenministerien mahnen zum einen effektivere Entscheidungsmechanismen in der EU-Außenpolitik an, also zum Beispiel die schrittweise Einführung von Mehrheitsentscheidungen. Sie fordern aber auch eine "starke Industrie- und Technologiepolitik, die Europa in die Lage versetzt, auch künftig mit den Schwergewichten in China, in den USA und andernorts mitzuhalten".

Hier hat die Regierungen in Paris und Berlin der Ärger darüber zusammengeschweißt, dass die EU-Kommission aus Wettbewerbsgründen die Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom untersagt hat. Über den Schutz des Wettbewerbs innerhalb der EU dürfe der Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der EU nach außen nicht in Hintertreffen geraten, heißt es in Berlin. Man müsse "systematisch Europas Fähigkeiten als Technologie- und Wissenschafts-Champion stärken", formuliert es Maas. Erwähnt wird im Papier auch eine Stärkung des Euro, was an die Forderung des Außenministers anknüpft, unabhängiger zu werden vom US-Dollar.

Mit den anderen Ressorts in der Bundesregierung hat das Auswärtige Amt das Paper nicht abgestimmt, was die Arbeit erleichtert haben dürfte. Es handele sich ausschließlich um ein Arbeitsprogramm der Außenministerien in Paris und Berlin, wird betont. Auch an eine Veröffentlichung des Dokumentes ist nicht gedacht. Arbeitsgruppen sollen sich nun an die konkrete Umsetzung machen.

Da könnte es allerdings schon bald schwierig werden. So soll es etwa um den mittelfristigen Finanzrahmen für die EU gehen. Deutsche und Franzosen sind sich einig, dass mehr Geld in die Forschung fließen soll. Darüber aber, wo es herkommen soll, dürfte schon bald gestritten werden.

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