Süddeutsche Zeitung

Corona-Gipfel:Von der Leyen will mehr Datenaustausch

Lesezeit: 3 min

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen mit mehr Zusammenarbeit die Pandemie bekämpfen.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die EU-Länder haben vereinbart, beim Kampf gegen die Corona-Pandemie enger zusammenzuarbeiten. "Wir sind einig, denn wir sitzen im selben Boot", sagte Ratspräsident Charles Michel am Donnerstagabend nach einer Videokonferenz der 27 Staats- und Regierungschefs. So wollten die "Leaders" in den kommenden Wochen an gemeinsamen Standards arbeiten, in welchen Situationen neuartige Schnelltests eingesetzt werden sollen. Die seien zwar etwas weniger zuverlässig als herkömmliche PCR-Test. Dafür lieferten sie viel schneller Ergebnisse.

Auch bei der gegenseitigen Anerkennung der Resultate solcher Tests wolle man Fortschritte machen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte einen schnelleren Austausch von Daten zwischen den EU-Staaten an, auch um die Behandlung von Corona-Patienten in anderen EU-Staaten zu erleichtern. "Je mehr Länder Daten teilen, desto besser können wir reagieren", sagte sie. Die Kommission werde 220 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um bei der Finanzierung des Transports solcher Patienten zu helfen.

Wie ernst die Lage in vielen Ländern ist, konnte man auch während der Videokonferenz sehen: Auf dem Tisch vor Ratspräsident Michel stand ein Fläschchen mit Desinfektionsmittel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, aber auch Andrej Babiš aus Tschechien oder Klaus Iohannis aus Rumänien trugen ihren Mund-Nasen-Schutz auch während der gut dreistündigen Besprechung. "Besser als gar keinen Austausch in Tagen wie diesen", hatte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz vor Beginn zu den Umständen der Sitzung gesagt.

Schon im Frühjahr hatten sich die Staats- und Regierungschefs der EU einige Male per Videokonferenz über die Corona-Lage ausgetauscht. Das Gespräch am Donnerstagabend war jedoch das erste dieser Art, seit die Infektionszahlen überall in Europa wieder heftig ansteigen.

Während der ersten Welle hatten die Mitgliedstaaten oft egoistisch und unkoordiniert gehandelt, etwa mit einseitigen Grenzschließungen oder Exportstopps für Schutzkleidung. Diesmal haben sich die "Leaders" vorgenommen, es besser zu machen, darum hatten sie bei ihrem letzten physischen Treffen in Brüssel Mitte Oktober verabredet, sich künftig regelmäßig auf diese Weise auszutauschen.

Mehr Austausch als harte Entscheidungen

"Austausch" ist aber wohl auch das richtige Wort für den Charakter des Gesprächs am Donnerstag; konkrete Beschlüsse gab es nicht - solche waren aber auch nicht erwartet worden. Man wolle weiter daran arbeiten, dass die Corona-Apps, an deren Wirksamkeit in manchen Ländern Kritik laut wird, möglichst bald auch grenzüberschreitend kommunizieren könnten, sagte Michel am späten Abend.

Drei dieser Apps - die aus Deutschland, Italien und Irland - sind bereits miteinander verknüpft; im November sollen 19 weitere angeschlossen werden. Sie habe die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, für eine "massive" Verbreitung dieser Apps zu werben, sagte Kommissionschefin von der Leyen.

Außerdem wollen die EU-Länder an einheitlichen Formularen für Reisende arbeiten, die Kommission werde im November mit einem entsprechenden Pilotversuch starten. Jetzt gerade sei Reisen zwar sowieso nicht empfohlen. Aber wenn die "Dinge sich verbessern und der Reiseverkehr zunimmt, ist es extrem wichtig, Infektionsketten nachvollziehen zu können", sagte von der Leyen.

Vor dem Treffen hatte Charles Michel gesagt, er hoffe, dass sich die Mitgliedstaaten auf noch mehr Zusammenarbeit einigen würden, etwa beim Zugang zu Corona-Tests. Das "Rennen aus dem Frühjahr um Masken" dürfe sich nicht wiederholen.

Auch bei der Frage, wie lange Quarantäne- oder Isolationszeiten dauern sollen, müssten die Staaten zusammenarbeiten. "Daran ist eigentlich nichts kompliziert. Es wird nur dadurch erschwert, dass es so viele Entscheidungsebenen gibt. Das ist eine Sache des politischen Willens." Die Kompetenz für die Gesundheitspolitik liegt bei den Mitgliedstaaten, darum ist die Kompromisssuche oft mühsam.

Es habe allerdings einen "Lernprozess" hin zu mehr Gemeinsamkeit gegeben, sagte von der Leyen nach der Videokonferenz: Die Mitgliedstaaten würden die Kommission inzwischen um konkrete Empfehlungen bitten, an denen ihre Behörde dann arbeite, und die im Anschluss zügig in den Ländern umgesetzt werden könnten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Vormittag im Bundestag gesagt, sie sei "überzeugt, dass wir europäisch auf die gegenwärtige Situation besser vorbereitet sind als zu Beginn der Pandemie". Einschränkungen im Binnenmarkt etwa würden gering gehalten. Die Impfstoffversorgung werde von der EU-Kommission vorbereitet. Und Deutschland stimme sich mit seinen Partnern intensiv über Einreisen ab und koordiniere mit ihnen die Corona-Warn-App.

Während des Videogipfels appellierte Merkel an ihre Kollegen: Gerade für Deutschland als Land in der Mitte Europas sei es wichtig, dass die Grenzen offen bleiben und es einen funktionierenden Wirtschaftskreislauf gibt.

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