Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und drei Verbündete haben als Antwort auf die deutsch-französische Initiative für einen Corona-Fonds einen Gegenvorschlag präsentiert, dessen größte Schwäche darin besteht, dass er gar kein Gegenvorschlag ist. Das Papier aus Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden füllt kaum zwei Seiten und gibt auf keine der drängenden Fragen eine Antwort. Es spricht einiges dafür, dass Kurz und Kollegen ihren Vorschlag selbst nicht ganz ernst nehmen, sonst hätten sie vermutlich etwas mehr Mühe investiert. Die geradezu schlampige Antwort richtet sich gegen den Führungsanspruch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, aber sie könnte der Europäischen Union schwer schaden.
Kennzeichnend für die Antwort ist die Weigerung, dem Ernst der Lage Rechnung zu tragen, die durch die Corona-Pandemie für einzelne EU-Mitgliedstaaten, aber auch für die Union insgesamt, entstanden ist. Als Gemeinschaft würde die EU den wirtschaftlichen Kollaps einzelner Mitglieder nicht überstehen. Allein wird sich niemand nach der Corona-Pandemie behaupten können, und sei er noch so wohlhabend in die Krise hineingegangen. Kurz und die Seinen haben nicht verstanden, dass Macron und Merkel durchaus im Eigeninteresse handeln.
Die Botschaft des Quartetts, das sich selbst sparsam nennt, ist deshalb nicht nur verstörend im Ton, sondern auch falsch in der Sache. Es unterstellt Italienern und Spaniern, es nur auf das Steuergeld der fleißigen Nordeuropäer abgesehen zu haben. Das ist überheblich und macht zudem den eigenen Bürgern etwas vor. Österreicher, Niederländer, Dänen und Schweden profitieren nämlich überdurchschnittlich vom Binnenmarkt und als Exporteure von der gebündelten Wirtschaftsmacht der EU. Wer sich einer wirklich europäischen Krisenbewältigung verweigert, wird das irgendwann weniger den Italienern und Spaniern erklären müssen, als den eigenen Steuerzahlern und Arbeitslosen.
Das bedeutet nicht, dass dem Plan Merkels und Macrons nun bedingungslos zu folgen wäre. Die EU ist kein Kommandounternehmen, auch in ihrer schwersten Krise nicht. Über Ausgestaltung, Umfang und Arbeitsweise des Corona-Fonds muss gestritten werden. Legitim ist die Sorge darüber, ob das Geld zielgerichtet seinen Zweck erfüllt und die Verwendung ausreichend kontrolliert wird. Wer nun weder direkte Hilfe noch einen signifikant höheren EU-Haushalt in Betracht ziehen will, hat sich das Prädikat "Geizige vier" redlich verdient. Insbesondere für Italien und Spanien führt allein mit noch mehr Krediten, und seien diese noch so günstig, kein Weg aus der Krise. Eine ernsthafte Debatte setzt Gegenvorschläge voraus, die zur Lösung beitragen können.
Anlass zur Verzweiflung besteht allerdings noch nicht. Der Start mit Maximalpositionen gehört zu den Spielregeln europäischer Verhandlungen, die auch in Zeiten der Pandemie nicht außer Kraft gesetzt sind. Mittlerweile hat Kanzler Kurz angedeutet, dass ein Teil der Corona-Hilfen doch als Zuschuss ausgezahlt werden könnte. Es ist auch schwer vorstellbar, dass ein Kompromiss ausgerechnet an vier Staaten scheitern wird, die zu den großen Gewinnern der europäischen Einigung gehören. Dem Dampfer namens Europa bleibt allerdings nicht viel Zeit. Der Eisberg ist in Sicht.