EU und China:Der Gipfel muss warten

June 1 2018 Brussels Bxl Belgium Chinese and European Union flags at European Commission head

Die chinesische Flagge und die der EU hängen im Juni 2018 bei der Europäischen Kommission.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Es ist völlig richtig, das geplante Treffen in Leipzig zu verschieben. Denn China hätte es als Propaganda-Show missbrauchen können.

Kommentar von Lea Deuber, Peking

Überraschend kam die Entscheidung nicht. Der für September in Leipzig geplante Gipfel zwischen China und der EU wird wegen Corona verschoben. Bis zuletzt hatte Angela Merkel trotz Kritik an dem Treffen festgehalten. Dass der Gipfel nun erst einmal nicht stattfindet, ist eine gute Nachricht.

Das Treffen hätte genutzt werden sollen, um eine einheitliche Position der EU gegenüber China zu finden. Eine Mängelliste mit zehn Punkten hat die Kommission bereits im März 2019 vorgelegt. Und die Staats- und Regierungschefs bezeichneten das Land damals zum ersten Mal als einen "strategischen Rivalen" und Wettbewerber, für den die Europäische Union eine "strategische Perspektive" bräuchte.

Die Sorgen dürften sich seitdem verstärkt haben. Auch wenn die europäischen Staaten sich bisher zurückgehalten haben mit Schuldzuweisungen für die Verbreitung des Virus: Die spärliche Informationspolitik Pekings in der Corona-Krise, die Desinformationskampagnen und der Versuch, politisches Kapital aus der Not anderer Staaten zu schlagen, haben viel Schaden angerichtet. Pekings Einflussversuche wirkten so ungeschickt, als hätte es eine Porzellanvase genommen und mit Wucht auf dem Boden zerschlagen. Wenn 2019 das Jahr war, in dem die EU es erstmals schaffte, China als Herausforderung klar zu benennen, dann könnte 2020 das Jahr werden, in dem in einigen Ländern die Stimmung endgültig kippt.

Doch so wichtig Antworten auf Chinas Machtansprüche, seine geopolitischen Ambitionen und Gängeleien auch sind, ein Gipfeltreffen in Europa mit der chinesischen Führung braucht es dafür nicht. Zu Hause inszeniert diese sich als einzig handlungsfähiger Akteur in der Krise, sie hat sich zum Sieger über das Virus erklärt. Doch der Druck auf das Regime ist groß.

Eine Balance in den Beziehungen gibt es nicht umsonst

Die wirtschaftlichen Folgen des Virus dürften deutlich schwerer sein, als das Regime bisher zugibt. Die Beziehungen zwischen Washington und Peking haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Treffen wie das nun verschobene mit der EU bringen dem Regime immer erst einmal Legitimität für sein Handeln. Zu Recht haben viele Beobachter beklagt, der Gipfel drohe zu einer Propagandashow für China zu verkommen, wenn die Bundesregierung ohne ausreichende Vorbereitung darauf dringt, den Gipfel in Leipzig abzuhalten.

Das eigentliche Problem liegt aber woanders. Die Krisenherde sind benannt, die Hausaufgabenliste ist geschrieben. Sinnvoll wäre es, diese erst einmal abzuarbeiten. Bei gerade einmal zwei oder drei Punkten ist man weitergekommen. Doch richtig voran geht es nicht. Im Gegenteil, während Merkel mit Präsident Xi Jinping über die Rettung ihres Gipfels verhandelte, wickelte die Kommunistische Partei vor den Augen der Welt die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong ab.

Nennenswerte Reaktionen blieben in Deutschland aus. Noch vergangene Woche mühte sich Berlin sogar zu erklären, das faktische Ende der Autonomie Hongkongs sei kein Grund, den Gipfel abzusagen. Das zeigt, dass bisher nicht über den Preis für Brüssels neue China-Politik gesprochen wurde. London hat gerade angekündigt, die Beziehungen mit China wieder "in die Balance" zu bringen. Das gibt es aber nicht umsonst. Solange Europas Firmen abhängig sind vom chinesischen Markt und die neue Balance nicht wehtun darf, wird Peking die Interessen der Nationalstaaten gegeneinander ausspielen - und Europas Einheit bröckelt.

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