EU/China:Ein Halbsatz und seine Folgen 

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Die EU beugte sich bei einem Artikel der Zensur Chinas - deutsche Politiker sind entsetzt - zumal der Europäische Auswärtige Dienst schon einmal einen Bericht über China entschärft haben soll.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Die EU-Kommission verteidigt die Entscheidung, die vom chinesischen Außenministerium geforderte Streichung eines Halbsatzes über den Ursprung des Coronavirus in einem Gastbeitrag des EU-Botschafters in China sowie der Botschafter der 27 EU-Mitglieder akzeptiert zu haben. Nach Beschwerden und "erheblichem Zögern" habe Nicolas Chapuis, der EU-Botschafter in Peking, entschieden, den gekürzten Text in der Staatszeitung China Daily zu veröffentlichen, um wichtige Botschaften der EU zu kommunizieren: "in Bezug auf Klimawandel und Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Multilateralismus und die globale Antwort auf das Coronavirus".

Die SZ hatte am Mittwochabend exklusiv berichtet, dass aus der Ursprungsfassung der Hinweis gestrichen worden war, dass China das Land sei, in dem das Coronavirus "ausgebrochen" sei und "von wo aus es sich in den vergangenen drei Monaten im Rest der Welt verbreitet" habe. Die Entscheidung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) stieß auf deutliche Kritik. Er sei entsetzt, dass der Text aller EU-Botschafter "großzügig die chinesischen Narrative" übernehme und der Zensur des Textes durch die EU-Vertretung zugestimmt worden sei, sagte der CDU-Politiker Norbert Röttgen (CDU). "Mit einer Stimme zu sprechen, ist schön und gut, aber sie muss auch unsere Werte und Interessen widerspiegeln", schrieb der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag auf Twitter. Die SPD-Politikerin Evelyne Gebhardt, Vizechefin der China-Delegation im Europaparlament, sorgt sich um "unsere Glaubwürdigkeit als Europäische Union, wenn der Auswärtige Dienst Zensur durchgehen" lasse. Der SZ sagte sie: "Es wäre besser gewesen, keinen Artikel zu veröffentlichen, als diese Zensur zu akzeptieren."

EU-Diplomaten zeigten sich verblüfft und verärgert über die Abwägung der Vertretung in Peking. Die englischsprachige China Daily werde von der überwältigenden Mehrheit der Chinesen gar nicht gelesen. Es sei "sinnfrei", hier einzuknicken, "anstatt zu verteidigen, woran man glaube". Der Vorfall wird erhitzt diskutiert, da dem EAD Ende April vorgeworfen wurde, einen Bericht über Chinas Desinformationskampagnen zu Corona entschärft zu haben. Der EAD weist dies zurück.

© SZ vom 08.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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