EU - China:Der neue Rivale

Europa erkennt im Weltmachtstreben Pekings plötzlich auch eine Gefahr und reagiert bemerkenswert klug.

Von Stefan Kornelius

Im Jahr 2013 veröffentlichte die Europäische Kommission ein Grundsatzpapier über ihre Arbeit mit China, das wie alle Dokumente dieser Art das Adjektiv "strategisch" trägt und als Zieldatum das Jahr 2020 nennt. Dieses Datum ist nun fast erreicht. Aber nicht deshalb hat die Kommission wieder ein Dokument geschrieben, das sich "strategischer Ausblick" nennt. Mit Ausnahme der bedeutungsschwangeren Bezeichnung "strategisch" könnten die Papiere unterschiedlicher nicht sein. China ist vom Fantasiegebilde zum Wettbewerber und, auch dies: zum Feindbild mutiert.

In den sechs Jahren, die zwischen beiden Dokumenten liegen, hat die EU eine Währungskrise überstanden, eine Flüchtlingskrise durchlitten, den Aufstieg von Populisten und Rechtsnationalisten in ihren Reihen ansehen müssen, die USA als nahezu bedingungslos loyalen Partner an Donald Trump verloren, in Russland einen undurchschaubaren Aggressor erlebt und schließlich Bekanntschaft mit einem neuen China gemacht. Dieses neue China hat zum 19. Parteitag im Oktober 2017 eine Maske fallen lassen und zum ersten Mal Ambitionen formuliert, die Europa Sorge bereiten müssen. Seitdem vertritt das moderne China offen globale Ambitionen, möchte in wenigen Jahrzehnten die Welt ökonomisch und technologisch dominieren und so etwas wie ein sinozentrisches Weltbild etablieren.

Das ist eine Kampfansage, oder weniger martialisch ausgedrückt: eine Zäsur im Wettbewerb um technologischen Vorsprung, Rohstoffe, Märkte und vor allem Regeln. Die naive Phase der Globalisierung ist vorbei. China ist nicht nur ein ökonomischer Wettbewerber, der qua Größe selbstverständlich das Zusammenspiel der Mächte stärker beeinflussen wird, als er dies jetzt bereits tut. China ist auch ein politischer Rivale, dessen autoritär geführtes Einparteiensystem in weltanschaulicher Konkurrenz zu den Vorstellungen der Staaten Europas steht.

Noch klaffen Worte und Taten weit auseinander, wenn China und Europa von Multilateralismus reden, wie sie es nun wieder in Brüssel getan haben. Aber die ökonomischen Supermächte haben zumindest erkannt, dass sie für ihre Beziehung neue Regeln brauchen. Der EU ist sechs Jahre nach der pompös formulierten Strategie klar geworden, dass sowohl Klingelbeutel als auch Glaubensbekenntnis zur Kirche gehören. Geschäfte lassen sich von politischen Machtfragen nicht trennen. Wenn Europa nicht in eine wirtschaftliche Abhängigkeit geraten will, dann muss es geschlossen und fordernd Peking gegenüber auftreten.

Das chinesische System tut sich viel leichter, wirtschaftliche Geschäfte als politischen Hebel zu nutzen. Und viel zu lange hat der schier unersättlich erscheinende Riesenmarkt China europäische, vor allem deutsche Unternehmer zu gefährlichen Kompromissen verleitet.

Es war dieser wachsende Existenzdruck von außen, der die EU in bemerkenswertem Tempo eine neue China-Politik finden ließ. Die neuen Verabredungen mit Peking werden zwar nicht strategisch genannt, sie könnten aber eine lang anhaltende Wirkung entfalten, wenn die EU auf ihren Prinzipien beharrt und auf deren Umsetzung dringt: fairer Wettbewerb bei Handel, Marktzugang und Subventionen. Handelsfragen sind Ordnungsfragen. Und Ordnungsfragen sind Machtfragen. Die müssen nun geklärt werden zwischen der EU und China.

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