Coronavirus:Im Herzen der EU-Notfalleinheit

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In Brüssel gibt es für Notfälle und Katastrophen ein eigenes Zentrum, das Hilfsmaßnahmen und Rückholtransporte koordiniert. Im "Operational Room" sieht es aus wie in Agentenserien. Ein Besuch.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Der Weg führt durch mehrere Türen und hintereinander liegende, verschachtelte Flursysteme. Ohne die regelmäßigen Hinweisschilder könnte man in diesem Bürogebäude im Brüsseler Europaviertel schnell die Orientierung verlieren. Immerhin ist die Atmosphäre angenehm unaufgeregt. Dann aber steht man drin im Emergency Response Coordination Centre (ERCC), dem Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen der EU; es ist eine Einheit, die verhindern soll, dass genau das den Mitgliedstaaten passiert: dass sie bei Notlagen wie Erdbeben, Dürren, Hochwassern oder sonstigen Naturkatastrophen den Überblick verlieren.

"Ops Room" nennen die Mitarbeiter das Herzstück ihrer Einheit, Operational Room, genau wie in US-amerikanischen Agentenserien. So ähnlich, wie man das aus dem Fernsehen kennt, sieht es in dem Raum auch aus: An der Stirnwand hängen unten vier riesige Bildschirme mit Landkarten - jetzt gerade zeigen sie die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in China; oben laufen auf kleineren Bildschirmen die Programme von CNN, Al-Jazeera, BBC World und des französischen Nachrichtensenders France 24. Dazwischen zeigen Digitaluhren die Uhrzeiten in Australien, Brüssel oder Wuhan an, wo das Virus am heftigsten wütet.

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Der Mann einer aus China zurückgekehrten und dort infizierten Frau hat sich angesteckt. Bei einem Verdachtsfall auf einem italienischen Kreuzfahrtschiff gibt es Entwarnung.

Im Raum verteilt arbeiten Beamte in blauen EU-Westen an Schreibtischen, auf denen noch einmal jeweils vier Rechner stehen. Dass die Leute heute da sind, hat mit der Krise in China aber nur bedingt etwas zu tun: Das ERCC ist immer mit mindestens zwei Mitarbeitern besetzt, rund um die Uhr, jeden Tag im Jahr - mit einem Stab an Kollegen, die bei Bedarf mit anpacken können.

Seit Frankreich den Zivilschutzmechanismus der EU offiziell ausgelöst hat, hat sich die Aktivität des ERCC jedoch erhöht: "Jeden Tag gibt es mindestens eine Besprechung mit allen Mitgliedstaaten", sagt Johannes Luchner, der zuständige Abteilungsleiter der EU-Kommission, vor allem mit den jeweiligen Innen- und Außenministerien. In erster Linie gehe es dabei um Informationsaustausch: "Wer hat wie viele Staatsangehörige in China, die das Land verlassen wollen? Was steht dem entgegen?" Solche Beispiele nennt Luchner. So gebe es zum Beispiel EU-Bürger, die Familienangehörige mit chinesischem Pass haben. Luchner und seine Kollegen übernehmen dann die Kontaktaufnahme zu den chinesischen Behörden, um möglichst auch diesen Menschen die Ausreise in die EU zu ermöglichen.

EU-Bürger könnten sich in China gar nicht mehr selbständig auf den Weg zum Flughafen machen

Besonders viele Anrufe und E-Mails sind Luchner zufolge dafür nötig, etwaige Rückholflüge zu organisieren. "Wir können ja nicht einfach ein Flugzeug nach Wuhan schicken, die Leute einsteigen lassen, und losfliegen", sagt er. Jeder Mensch müsste vor der Abreise in China untersucht werden, damit ein Infizierter nicht an Bord die anderen Passagiere anstecken könne; und es brauche Quarantänezentren, in denen die Menschen nach ihrer Ankunft in der EU übergangsweise untergebracht werden.

Auch in China müssen die EU-Staaten zusammenarbeiten: So haben in Wuhan nur Briten und Franzosen eigene Konsulate. In manchen Gegenden des Landes dürften EU-Bürger sich im Moment gar nicht mehr selbständig auf den Weg zum nächsten Flughafen machen. Mehrere Mitgliedstaaten hätten bereits den Willen bekundet, Flüge in die Region zu entsenden.

Das ERCC kann aber nicht nur mit Informationen und Koordinierung helfen, sondern auch ganz akut mit Geld: "Wenn ein Mitgliedstaat danach fragt, können wir drei Viertel der Kosten für den Rücktransport der Bürger aus dem EU-Haushalt übernehmen", sagt Luchner.

Er zeigt aber auch die Grenzen seiner Einheit auf: "Unsere Rolle ist die Koordinierung und Unterstützung", sagt er. Die eigentliche Hilfe komme aber stets von den Mitgliedstaaten selbst und nicht von der EU: "Denn der Schutz ihrer Bürger liegt in erster Linie in ihrer Verantwortung."

© SZ vom 31.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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