EU-Beitrittsländer:Europas Hochmut

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Die EU hat keinen Grund zur Überheblichkeit gegenüber den Anwärtern Bulgarien und Rumänien

Klaus Brill

Es ist immer gut, wenn Politiker unerschrocken gegen Missstände wie Korruption und organisiertes Verbrechen vorgehen oder wenn sie gegen säumige Richter und Staatsanwälte einschreiten. Auch freut es den Steuerzahler sehr, wenn mit aller Schärfe darauf geachtet wird, dass die von seinem Geld gezahlten Zuschüsse an Bedürftige auch in die richtigen Hände gelangen.

Deshalb hat sicher kein Bürger in einem der 25 EU-Länder etwas dagegen, dass die EU-Kommission ihr Ja zur baldigen Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die Union mit strengen Auflagen verknüpft, um die genannten Missstände in den Griff zu bekommen. Mehr noch: Auch alle demokratisch gesinnten Bulgaren und Rumänen werden es begrüßen, dass die in ihren Ländern herrschenden Eliten jetzt durch die EU gezwungen werden, ein demokratisches und transparentes Gemeinwesen aufzubauen.

Die EU als Druckmittel zum Abschied vom früheren Regime

In ähnlicher Weise, wie in der früheren DDR durch die deutsche Wiedervereinigung der Rechtsstaat eingeführt wurde, dient jetzt in Rumänien und Bulgarien der EU-Beitritt als Druckmittel für den endgültigen Abschied vom früheren Regime und von Gewohnheiten, die seit Jahrhunderten herrschen. Exakt aus diesem Grunde wäre es unklug, den Beitritt der beiden Balkanländer zu verschieben.

Der Reform-Elan würde erlöschen, der Druck sich verflüchtigen. Und es würden jene Kräfte geschwächt, die unter großen Anstrengungen Strukturverbesserungen bewirkt haben, so die rumänische Justizministerin Monica Macovei oder der bulgarische Generalstaatsanwalt Boris Weltschew. Immerhin stellt die EU-Prozedur des Lockens und Drängens die stärkste (freiwillig hingenommene) Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes dar, die wir derzeit kennen.

Zugleich ist unverkennbar, dass manche EU-Politiker und erst recht die Strategen an den Stammtischen mit zweierlei Maß messen. Erstens sind bei der großen Beitrittsrunde im Jahr 2004 einige der damals zehn EU-Neulinge noch ungeschoren durchgekommen trotz Mängeln, deretwegen die Nachzügler Rumänien und Bulgarien nun strenger geprüft werden als je ein Anwärter zuvor. Die Drohung mit der Anwendung von Schutzklauseln ist durchaus ein scharfes Schwert.

Zweitens gibt es leider kein Verfahren, mit dem man die EU-Altmitglieder zur Ordnung rufen könnte, wenn sie ihrerseits gegen die Normen verstoßen. Hätten beispielsweise nicht auch die Korruption bei deutschen und französischen Konzernen oder die Missstände in der belgischen Justiz einen Tadel verdient? Haben wir nicht auch die Zertrümmerung des Rechtsstaats in Italien durch Berlusconi mitansehen müssen? Wollen wir den Beitrittsländern das deutsche Gesundheitswesen oder die deutsche Lebensmittelüberwachung als beispielhaft empfehlen?

Mit welchem Recht könnte ein Bundeswirtschaftsminister Glos von anderen Ländern Transparenz einfordern, wenn er selber sich sträubt, die Empfänger der EU-Agrarmilliarden in Deutschland öffentlich zu nennen? Und wenn wir schon von Betrug und Korruption reden, worüber im Übrigen schon eine EU-Kommission stürzte, warum dann nicht auch von der Einflussnahme des Brüsseler Lobbyismus? Jegliche Überheblichkeit ist unangebracht, und wer heute noch immer glaubt, die EU-Erweiterung stelle nichts anderes dar als die Aufnahme der armen Verwandtschaft in die warme Stube der Alteingesessenen, der verkennt die Lage.

Die Transformation, die 1989 durch den Fall des Kommunismus ausgelöst wurde, hat in Verbindung mit der Globalisierung längst den ganzen Kontinent in einen neuen Zustand versetzt. Europa wird als Ganzes herausgefordert durch die Konkurrenz in China, Indien und den USA. Deshalb braucht es Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit, die nur durch die geplante Reform der EU-Institutionen zu erreichen ist. Und darauf muss sich jetzt die Diskussion in Europa konzentrieren.

© SZ vom 27. September 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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