EU-Begleitgesetze:Mehr Mitsprache für die Parlamente

Mit Verabschiedung der neuen Begleitgesetze hat der Bundestag den Weg für den EU-Reformvertrag von Lissabon frei gemacht. Wir erklären, was sie bedeuten.

Daniel Brössler

Benötigt die Bundesregierung bei Verhandlungen in Brüssel nun grundsätzlich die Zustimmung des Bundestags?

Nein. Sie ist aber nun gesetzlich verpflichtet, den Bundestag über alle Vorhaben der EU - von Vertragsänderungen über Gesetze bis hin zu Aktionsplänen und Empfehlungen - "umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich" zu informieren. Der Bundestag kann dann Stellung nehmen. Die Bundesregierung muss solche Stellungnahmen seinen Verhandlungen "zugrunde legen". Aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen kann die Bundesregierung aber abweichende Entscheidungen treffen.

Muss die Bundesregierung in EU-Fragen besondere Rücksicht nehmen auf die Bundesländer?

Ja. In allen die Länder betreffenden Fragen muss die Auffassung des Bundesrats maßgeblich berücksichtigt werden. Das steht schon im Grundgesetz. Die Einzelheiten der Mitwirkung des Bundesrates wie auch des Bundestages waren bislang in einer Vereinbarung mit der Bundesregierung geregelt. Neu ist nun, dass diese Einzelheiten sowohl für den Bundestag als auch für den Bundesrat gesetzlich geregelt sind.

Wird es künftig Volksabstimmungen bei wichtigen EU-Themen geben, zum Beispiel über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten?

Nein. Die CSU konnte sich mit dieser Forderung nicht durchsetzen. "Diskriminierende Referenden" über EU-Kandidaten soll es nach dem Willen einer breiten Mehrheit im Bundestag nicht geben. Der Lissabon-Vertrag sieht allerdings das Europäische Bürgerbegehren vor. Mit einer Million Unterstützern in mehreren EU-Ländern können Themen auf die Agenda der europäischen Institutionen gesetzt werden.

In welchen Punkten kommt es auf die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat an?

Auch bisher schon konnte Deutschland Änderungen der europäischen Verträge nur durch Parlamentsbeschluss zustimmen. Eine neue Situation entsteht durch den Lissabon-Vertrag. Er schafft Instrumente, durch welche die EU effizienter und flexibler werden soll. So ermöglicht er in bestimmten Fällen ein vereinfachtes Vertragsänderungsverfahren. Der Europäische Rat kann zudem in Einzelfällen beschließen, auf eine eigentlich notwendige Einstimmigkeit zu verzichten. Der Europäische Rat kann der Union auf Antrag der EU-Kommission und mit Zustimmung des EU-Parlaments auch Befugnisse übertragen, die in den Verträgen gar nicht vorgesehen sind. Solche Verfahren sind es, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das besondere Augenmerk des Bundestags und des Bundesrats verlangen. Die Bundesregierung darf solchen vereinfachten Verfahren nur mit Billigung des Parlaments zustimmen. Bundestag und Bundesrat tragen die "Integrationsverantwortung". Eine Vertiefung der Integration kann Deutschland nur mit parlamentarischer Zustimmung mitmachen.

Ist der Weg nun frei für die Ratifikation des Lissabon-Vertrags durch Deutschland?

Noch nicht ganz. Nach dem Bundestag muss der Bundesrat den Gesetzen zustimmen. Das soll am 18. September geschehen. Sollte die Länderkammer Einwände geltend machen, müsste der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss suchen. Das gilt aber nicht als sehr wahrscheinlich. Nach der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat fehlt nur noch die Unterschrift von Bundespräsident Horst Köhler. Die Ratifizierungsurkunde kann dann bei der italienischen Regierung als Hüterin der europäischen Verträge hinterlegt werden. Verzögern könnte das nur das Verfassungsgericht wegen neuer Klagen.

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