Während die Welt auf eine Entscheidung von Donald Trump wartet, ob die USA in den Krieg im Nahen Osten eingreifen oder nicht, versuchen die Europäer, die Lage mit einer diplomatischen Initiative zu entschärfen. An diesem Freitag treffen sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Genf, um mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghchi über das iranische Atomprogramm zu verhandeln. Diese Gespräche kommen nicht überraschend. In den vergangenen Tagen hatte der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) immer wieder betont, dass er mit seinen europäischen Amtskollegen zu einer Deeskalation im Nahen Osten beitragen möchte.
Immer wieder sagte Wadephul, dass man bereit sei, über eine Lösung zu verhandeln. Dazu müsse sich Iran aber dringend bewegen und „vertrauensbildende und nachprüfbare Maßnahmen ergreifen, etwa indem die Führung in Teheran glaubhaft macht, dass sie keine Atomwaffen anstrebt“, sagte der Minister. Es sei „nie zu spät, an den Verhandlungstisch zu kommen, wenn man in ehrlicher Absicht kommt“. Am Freitag wird Teheran also mit Außenministern der Europäischen Union verhandeln, die zuletzt in den Atomgesprächen eine eher untergeordnete Rolle einnahmen.
Problematisch könnte sein, dass die Atmosphäre zuletzt durch Äußerungen aus Berlin gestört wurde. Insbesondere die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz, Israel würde die „Drecksarbeit“ für „uns alle“ erledigen, stieß in Teheran auf scharfe Ablehnung. Merz sagte, er habe „größten Respekt davor, dass die israelische Armee den Mut dazu gehabt hat, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen“.
Vor einer Woche hatte Israel einen Überraschungsangriff auf Iran gestartet. Seitdem fliegen Raketen auf beide Länder. Menschen werden getötet und verletzt. Am Donnerstagmorgen gab es im Großraum Tel Aviv mehr als 20 Raketeneinschläge. Dabei wurden insgesamt 65 Menschen verletzt, drei von ihnen schwer. Auch eine israelische Klinik in der Wüstenstadt Be’er Scheva wurde getroffen. Da die Patienten jedoch bereits in Sicherheit gebracht worden waren, wurde keiner von ihnen getötet, so Krankenhausdirektor Shlomi Codish.
„Nur eine politische Lösung kann zu einem Ende des Atomprogramms führen.“
Derweil wächst weit über die Region hinaus die Nervosität wegen eines möglichen militärischen Eingreifens der Amerikaner. Am Mittwoch war US-Präsident Trump gefragt worden, ob die USA iranische Atomanlagen angreifen. Antwort: „Vielleicht, vielleicht auch nicht – niemand weiß, was ich tun werde. Was ich sagen kann, ist: Iran steckt in großen Schwierigkeiten.“ Am Donnerstag sagte seine Sprecherin Karoline Leavitt, Trump wolle innerhalb der nächsten zwei Wochen entscheiden, ob die USA an der Seite Israels Iran angreifen. Er habe von einer signifikanten Chance für Verhandlungen gesprochen, die mit oder ohne Iran stattfinden könnten.

Der französische Botschafter in Berlin, François Delattre, sagte der Süddeutschen Zeitung: „Wir sehen keine militärische Lösung. Eine militärische Intervention kann das iranische Atomprogramm nur beeinträchtigen oder verzögern, aber nicht aufhalten.“ Angriffe auf die Atomanlagen seien überdies mit „ernsthaften nuklearen Risiken“ verbunden. „Nur eine politische Lösung kann zu einem Ende des Atomprogramms führen“, sagte er. Nötig sei ein „dauerhaftes und nachhaltiges“ Abkommen, das solide nachprüfbar sei. Für das repressive Regime in Teheran hege man keinerlei Sympathie. Ein erzwungener Regimewechsel berge allerdings erhebliche Risiken wie Bürgerkrieg, Staatszerfall und Migration.
Merz hatte hingegen große Hoffnung auf einen Machtwechsel in Teheran erkennen lassen. „Dieses Mullah-Regime hat Tod und Zerstörung über die Welt gebracht. Mit Anschlägen. Mit Mord und Totschlag“, sagte er. Während sich die israelische Botschaft in Berlin bei Kanzler Merz für dessen „moralische Klarheit“ auf der Social-Media-Plattform X bedankte, geriet der Kanzler innenpolitisch in die Kritik. „Wenn Menschen getötet werden, nennt Merz das Drecksarbeit. Damit verhöhnt er die Opfer von Krieg und Gewalt“, sagte etwa der Vorsitzende der Linken, Jan van Aken.
„Deutschland spielt im Nahostkonflikt keine relevante Rolle mehr.“
Nahostexperten beklagen ein wachsendes Misstrauen in der arabischen Welt gegenüber der Bundesrepublik. „Deutschland spielt im Nahostkonflikt keine relevante Rolle mehr“, sagte der stellvertretende Chefredakteur des Nahost-Magazins zenith, Robert Chatterjee, der SZ. Die Bundesregierung habe mit ihrer außenpolitischen Linie – exemplarisch sichtbar in der Äußerung von Bundeskanzler Merz – „alles falsch gemacht“, so Chatterjee, „was man nur falsch machen kann“. Ob Deutschland unter diesen Umständen beim Treffen in Genf überhaupt eine Vermittlerrolle einnehmen könne, sei fraglich. „Mit seiner Aussage hat Merz das Völkerrecht und die Diplomatie derart entwertet, dass es fast schon eine Unverschämtheit ist, seinen Außenminister in die Welt zu schicken, um den Schaden wieder auszubügeln“, kritisiert Chatterjee.