KorruptionEU-Parlament verordnet sich mehr Distanz zu Lobbyisten

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Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat mit ihren Stellvertretern und Stellvertreterinnen Regeln für Lobbyisten vereinbart.
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat mit ihren Stellvertretern und Stellvertreterinnen Regeln für Lobbyisten vereinbart. (Foto: Jean-Francois Badias/AP)

Nach "Qatargate" versucht Brüssel, neuen Bestechungsskandalen vorzubeugen - mit moderaten Auflagen für Ex-Abgeordnete, die als Lobbyisten arbeiten. Forderungen nach härteren Schritten stoßen auf Ablehnung.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Das Europäische Parlament zieht erste Konsequenzen aus dem als "Qatargate" bekannt gewordenen Bestechungsskandal. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und ihre 14 Stellvertreter und Stellvertreterinnen, die den Fraktionen des Parlaments angehören, einigten sich am Montagabend darauf, zunächst die Regeln für Lobbyisten verschärfen. Demnach sollen ehemalige EU-Abgeordnete, die nach dem Ende ihres Mandats Lobbyisten geworden sind, sechs Monate warten müssen, bis sie sich mit ihren früheren Kollegen in den Gebäuden des Parlaments treffen dürfen. In Brüssel wird das als "Abkühlperiode" bezeichnet.

Zudem sollen Ex-Parlamentarier, die als Lobbyisten arbeiten, keinen dauerhaften Hausausweis für die Parlamentsgebäude mehr erhalten. Stattdessen müssen sie künftig - wie die meisten anderen Besucher auch - einen Tagesausweis beantragen. Dadurch soll die Transparenz erhöht werden, welche Abgeordneten sich mit welchen Lobbyisten treffen.

Ob schärfere Lobbyregeln Qatargate verhindert hätten?

Diese neuen Regeln sind ein Versuch, einen Skandal wie Qatargate in der Zukunft wenn nicht unmöglich, so doch zumindest unwahrscheinlicher zu machen. Denn im Zentrum des Eklats steht ein ehemaliger Europaabgeordneter, der italienische Sozialdemokrat Pier Antonio Panzeri, der nach dem Ende seiner Amtszeit seine Verbindungen ins Parlament für illegale Aktivitäten genutzt hatte. Panzeri gründete eine Nichtregierungsorganisation in Brüssel und verteilte über diese sowie über sein altes Netzwerk aus Mitarbeitern und Parlamentariern hohe Bestechungssummen. Das Geld stammte aus den arabischen Ländern Qatar und Marokko. Die belgischen Behörden haben inzwischen Anklage gegen Panzeri und weitere aktive sowie ehemalige Angestellte und Abgeordnete des EU-Parlaments erhoben.

Gemessen an der hohen kriminellen Energie, mit der Panzeri seine Geschäfte betrieben hat, ist unklar, ob schärfere Lobbyregeln ihn gestoppt hätten. Der deutsche EU-Abgeordnete Daniel Freund, der die Grünen im Europaparlament vertritt und seit Langem sehr viel härtere Vorschriften gegen Korruption fordert, lobte die Einigung vom Montag als vernünftigen ersten Schritt. Die Abkühlphase sei mit sechs Monaten zwar zu kurz, sagte er. Und keine derartige Regelung werde ehemalige Parlamentarier davon abhalten können, direkt nach dem Ende ihres Mandats als Lobbyist zu arbeiten. Aber die neuen Regeln "erschweren den Zugang zum Parlament in einer Zeit, in der die Gefahr von Interessenkonflikten am größten ist".

Ein Kontrollgremium lehnen die Konservativen ab

Offen ist allerdings, auf welche weiteren Reformen sich die Fraktionen im Parlament werden einigen können. Vertreter einer harten Linie wie Daniel Freund fordern zum Beispiel, dass ein unabhängiges Gremium überwachen soll, ob die Abgeordneten die Regeln gegen Korruption einhalten - und dass es etwaige Verstöße ahndet. "Wir haben ein Problem mit Korruption und Lobbyregeln, die nicht kontrolliert und nicht durchgesetzt werden", sagt der Grüne. "Wir brauchen endlich ein unabhängiges Kontrollgremium für EU-Politiker und Beamte." Der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) geht das jedoch zu weit. Sie sieht die freie Mandatsausübung der Abgeordneten in Gefahr, wenn diese von Nichtparlamentariern kontrolliert würden.

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Die EVP hat Qatargate ihrerseits zu einer Attacke auf Nichtregierungsorganisationen genutzt, die für die politisch links stehenden Fraktionen oft wichtige Verbündete sind. Solche Gruppen sollten künftig ihre Finanzverhältnisse umfassend offenlegen. Freund hält das für einen politisch motivierten Vorschlag. "Wenn die EVP jetzt Nichtregierungsorganisationen zu den Hauptschuldigen von Korruption in Brüssel erklären will, dann ist das eine Nebelkerze", sagt er. "Die Mehrheit in der EVP hat in der Vergangenheit immer wieder bessere Regeln gegen Korruption und für mehr Transparenz verhindert. Jetzt, wo es Zeit wäre zu liefern, stellen sie zivilgesellschaftliches Engagement unter Generalverdacht."

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