"Afrikas Probleme müssen in Afrika gelöst werden", das war der Satz, mit dem der damalige Bundesinnenminister Otto Schily 2004 eine Idee lancierte: Flüchtlinge aus Libyen oder aus dem Sudan sollten gar nicht erst nach Europa gelangen, sondern in "Außenstellen" der EU gebracht werden, die in Marokko, Tunesien und Libyen zu bauen seien. Mithilfe der "Aufnahmeeinrichtungen", wie Schily sie später nannte, um das Wort "Lager" zu vermeiden, könnte man die Migranten von der gefährlichen Weiterreise abhalten und nahe ihrer Heimat unterbringen - bis auf "Einzelfälle", die Europa aufnehmen würde.
Der SPD-Politiker erfuhr viel Kritik damals, seine Idee verpuffte. Der dahinter- steckende Ansatz stammt nicht von Schily. Er ist Teil der in den Neunzigerjahren entstandenen Strategie, die EU-Außengrenze nach Süden zu verschieben und Afrikas Staaten als Wächter der Festung Europa einzusetzen. Dieses Ziel wurde denn auch weiterverfolgt, in Kooperation mit Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi, dem man Geld und Überwachungstechnik gab, damit er Europa die Flüchtlinge vom Leibe halte. Oder in der Zusammenarbeit zwischen Spanien, Marokko und Mauretanien, dank derer die westafrikanische Fluchtroute nahezu stillgelegt wurde. Auf anderen Wegen aber gelangen immer noch Hunderttausende nach Europa, weshalb die EU jetzt auf besagten Ansatz zurückgreift.
Europa will mit den Regierungen verhandeln. Dabei sind einige von ihnen selbst die Fluchtursache
Nach der Katastrophe vor Lampedusa im April, bei der etwa 800 Flüchtlinge ertranken, wurde rasch ein Gipfeltreffen mit Afrika organisiert. Inzwischen ist die Lage im Mittelmeer zwar nicht mehr ganz so dramatisch, nicht zuletzt weil die EU wieder mehr Schiffbrüchige aus dem Wasser holt. Auch hat sich das Problem Richtung Griechenland und Balkan verschoben. Dennoch will die EU kommende Woche in Maltas Hauptstadt Valletta 35 Staaten nördlich des Äquators zum besseren Mitmachen bewegen. Aus Afrika, so sieht es die EU, kommen viele, die nicht schutzbedürftig sind und deshalb nicht in Europa bleiben dürfen. Die Rückführungsrate liegt bei diesen "illegalen Migranten", wie sie die EU nennt, aber deutlich unter 50 Prozent.
Die Kernfragen in Malta lauten daher: Wie kann man die Herkunftsstaaten motivieren, ihre Bürger von der Ausreise abzuhalten oder sie nach der Abschiebung wieder aufzunehmen? Und wie kann man Transitstaaten dazu bringen, ihre Grenzen zu verstärken und den Menschenschmuggel zu bekämpfen? Befriedigende Antworten sind nicht zu erwarten. Mit vielen Herkunftsstaaten hat die EU längst Rückübernahme-Vereinbarungen getroffen, die aber nicht umgesetzt werden. Deshalb weigern sich auch Transitstaaten in Nordafrika mitzumachen. Das Grundproblem zeigt die Europa-Abgeordnete Ska Keller von den Grünen auf: "Die eingeladenen Staaten haben keinerlei Interesse daran, ihre Leute aufzuhalten oder zurückzunehmen. Denn dann müssten sie sich um sie kümmern, und das bringt nur Scherereien." In Ländern wie Eritrea oder dem Sudan sind die Regierungen selbst die Hauptfluchtursache. Wenn junge, kritische Menschen das Land verlassen, kann das Diktatoren nur recht sein.
Um sie umzustimmen, muss die EU etwas bieten. Und das tut sie, wie Vorbereitungsdokumente zeigen, die in einen "Valletta-Aktionsplan" münden sollen. Europa setzt alle Spielarten von Entwicklungshilfe ein, um Wirtschaft, Bildung, Umwelt, Infrastruktur in den Ländern zu verbessern, Armut zu reduzieren und Rückkehrer wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Außerdem will es den Rechtsstaat stärken, Korruption bekämpfen, Polizisten und Grenzschützer unterweisen und ausrüsten, sowie den Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden verbessern.