Süddeutsche Zeitung

Migration:EU sagt keine Kontingente für Flüchtlinge aus Afghanistan zu

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Stattdessen warnen die Innenminister der Europäischen Union vor "unkontrollierter illegaler Migration". Und Horst Seehofer fürchtet Sicherheitsrisiken.

Von Karoline Meta Beisel, Björn Finke, Brüssel, und Paul-Anton Krüger, Berlin, Berlin, Brüssel, München

Die Innenminister der EU-Länder haben möglichen Migranten und Flüchtlingen aus Afghanistan signalisiert, sich nicht nach Europa aufzumachen. Die EU sei entschlossen, "die Wiederkehr unkontrollierter illegaler Migrationsbewegungen in großem Maßstab zu verhindern", erklärten sie nach einem Sondertreffen am Dienstagabend in Brüssel. "Anreize zur illegalen Migration sollten vermieden werden", steht in der gemeinsamen Erklärung. Es solle sichergestellt werden, dass Notleidende in direkter Nachbarschaft Afghanistans Schutz erhalten.

Dabei will die EU helfen. Es gehe vor allem um Unterstützung von um Nachbar- und Transitländer, die viele Migranten und Flüchtlinge beherbergten, so die Erklärung. Ihre Kapazitäten müssten gestärkt werden, um Schutz, würdige und sichere Aufnahmebedingungen und nachhaltige Lebensgrundlagen für Flüchtlinge und Gastgemeinden zu schaffen. Die EU werde mit diesen Ländern bei der Grenzsicherung und im Kampf gegen Schlepper kooperieren, heißt es in der Schlusserklärung. "Der beste Weg, eine Migrationskrise zu verhindern, ist, eine humanitäre Krise zu verhindern", sagte Innenkommissarin Ylva Johansson.

Die Ansiedlung, das "Resettlement" schutzbedürftiger Afghaninnen und Afghanen, soll demnach nur erfolgen, wenn EU-Staaten freiwillig Plätze anbieten. Österreich, Tschechien und Dänemark beharrten darauf, vor Ort Hilfe anzubieten, aber keine Menschen aufzunehmen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich bereits zuvor gegen konkrete Kontingente für die Aufnahme von schutzbedürftigen Menschen aus Afghanistan ausgesprochen. "Ich halte es nicht für sehr klug, wenn wir jetzt hier über Zahlen reden." Diese könnten "einen Pull-Effekt auslösen, und das wollen wir nicht". Berlin halte aber an dem Plan fest, Ortskräfte, die in Afghanistan waren oder noch dort sind, in Deutschland aufzunehmen.

Mit der Absage an Kontingente reagierte Seehofer auch auf Luxemburgs Minister für Immigration und Asyl, der in einem Interview mit der Welt gefordert hatte, die EU solle 40 000 bis 50 000 Resettlement-Plätze für afghanische Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Auch die EU-Kommission hatte die Mitgliedsländer zu konkreten Zusagen aufgefordert. "Luxemburg ist ja mit sehr kleinen Zahlen immer bei diesen Dingen vertreten, und sie sollten ein Stück mehr Rücksicht nehmen auf die Interessen der Hauptaufnahmeländer", so Seehofer. "Wir müssen darauf achten, dass wir wissen, wer ins Land kommt, und dass diese Menschen auch kein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung in Deutschland bedeuten."

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor dem dem Ministertreffen in Brüssel geäußert: Menschen, die nicht zu den besonders schutzbedürftigen Gruppen gehörten, müssten vor allem "in der Nähe ihrer Heimat" humanitär versorgt werden. Das sagte sie am Rand ihres Treffens mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Das UN-Flüchtlingshilfswerk habe auch darauf verwiesen, dass Binnenflüchtlinge derzeit das drängendste Problem seien.

In Afghanistans Hauptstadt Kabul feierten Taliban den endgültigen Abzug der US-Truppen nach fast 20 Jahren mit Feuerwerk und Schüssen in die Luft, sie übernahmen in der Nacht zum Dienstag den Flughafen, von dem Nato-Länder Amerikaner und ihre Verbündeten seit Mitte August ihre Bürger und Afghanen ausgeflogen hatten.

Das US-Militär ließ gepanzerte Fahrzeuge, 73 Flugzeuge und ein Raketenabwehrsystem zurück, die dem Befehlshaber des für Afghanistan zuständigen Regionalkommandos, General Kenneth McKenzie, zufolge aber unbrauchbar gemacht wurden. Ein Sprecher bekräftigte, die Taliban würden alle Afghanen ausreisen lassen, die über Pässe und Visa verfügten.

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