Bei der Parlamentswahl in Estland haben die oppositionellen Liberalen gewonnen und die Rechtspopulisten stark zugelegt. Die liberale Reformpartei erhielt am Sonntag 28,8 Prozent, wie die Wahlkommission am Abend mitteilte. Sie landete damit klar vor der regierenden Zentrumspartei von Ministerpräsident Juri Ratas, die auf 23 Prozent kam.
Die nationalkonservative und europakritische Partei Ekre konnte mit 17,8 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen erringen wie bei den letzten Wahlen. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass Ekre an einer künftigen Koalitionsregierung beteiligt sein wird.
Bislang regiert die Zentrumspartei gemeinsam mit den Sozialdemokraten und der konservativen Pro Patria. Zentrumspartei und Reformpartei regierten die ehemalige Sowjetrepublik in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten abwechselnd, teilweise auch gemeinsam in einer Koalition. Beide Parteien unterstützen die EU- und Nato-Mitgliedschaft des Landes und stehen für eine Begrenzung der öffentlichen Ausgaben.
Die Wirtschaft - eine Erfolgsgeschichte
Fast eine Million Esten waren am Sonntag aufgerufen, ein neues Parlament wählen, und eigentlich hatte die Regierung um die Zentrumspartei von Ministerpräsident Jüri Ratas eine Erfolgsgeschichte zu verkaufen: Die Wirtschaft wuchs im letzten Jahr um 3,9 Prozent, die Exporte legten sogar um zwölf Prozent zu, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie schon seit zwanzig Jahren nicht mehr. Und doch blickten sowohl die Zentrumspartei als auch ihr größter Konkurrent, die rechtsliberale Reformpartei, mit einigem Bangen auf die Wahl.
Der gewaltige Geldwäscheskandal um die estnische Filiale der Danske Bank, der weltweit Schlagzeilen machte, erhielt vergangene Woche noch einmal ein neues Kapitel: Es wurde nun bekannt, dass auch die schwedische Swedbank in den Skandal verwickelt ist. Im Volk hat die Affäre für einiges Misstrauen gegenüber den Eliten gesorgt, ein Misstrauen, das vor allem die aufstrebende rechtspopulistische Estnische Konservative Volkspartei, Ekre, zu ihren Gunsten auszuschlachten sucht.
Estland ist bekannt als ein Vorreiter der Digitalisierung von Regierung und Verwaltung. Wähler konnten ihre Stimme auch elektronisch abgeben, von jedem internetfähigen Computer weltweit aus. Sie taten das in einer Weltpremiere erstmals bei den Parlamentswahlen von 2007. Diesmal hatten knapp 350 000 Bürger, das sind fast 40 Prozent der Wählerschaft, ihre Stimme schon im Vorfeld abgegeben, 274 232 davon elektronisch. Das ist ein neuer Rekord: Bei den Lokalwahlen 2017 hatte es erst 186 000 elektronische Stimmabgaben gegeben.