ESM und Fiskalpakt:Leutheusser-Schnarrenberger rügt Druck auf Verfassungsrichter

"Regierung und Politik sollten sich hier absolut heraushalten": Vor der Verhandlung über die Eilanträge gegen ESM und Fiskalpakt stärkt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dem Bundesverfassungsgericht den Rücken. Ein FDP-Politiker bezeichnet die Klagen dagegen als "rechtstheoretisches Klein-Klein".

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt heute über die Eilanträge gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mahnte im Vorfeld andere Politiker, sich vor der Karlsruher Entscheidung mit Äußerungen gegenüber den Richtern zurückzuhalten. "Regierung und Politik sollten sich hier absolut heraushalten, das Bundesverfassungsgericht braucht keine Hinweise", sagte sie der Augsburger Allgemeinen.

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mahnt Zurückhaltung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht an.

(Foto: dapd)

"Die Richter wissen auch um die Bedeutung, die ihre Entscheidung auf die Wirtschaft hat." Sie habe "überhaupt keine Sorge, dass die Entscheidung zu Irritationen führen wird", sagte die Ministerin. Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hatte zuvor die Urteilsfähigkeit der Richter in europäischen Angelegenheiten angezweifelt und angedeutet, dass sie nicht mit allen Vorgängen in Europa ausreichend vertraut seien.

Ähnlich wie die Justizministerin äußerte sich der CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn in der Bild-Zeitung: "Das höchste deutsche Gericht braucht von niemandem politische Ratschläge, aber Respekt von allen vor seiner Unabhängigkeit und Würde." Auch der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler kritisierte den Umgang von Politikern mit dem Bundesverfassungsgericht. Das Recht in Europa sei in der Euro-Krise fortgesetzt mit Füßen getreten worden, sagte er der Bild-Zeitung. "Das muss man in Deutschland nicht wiederholen, indem man das Verfassungsgericht beschimpft."

Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle drückte seine Erwartung aus, dass sich das Gericht "intensiv mit den Folgen seiner Entscheidung befassen wird". Wenn sich der eigentlich für Anfang Juli vorgesehene Start des ESM-Rettungsfonds weiter verzögern sollte, "hätte dies ganz erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte", sagte Barthle der Berliner Zeitung.

"Wichtiger als rechtstheoretisches Klein-Klein"

Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis warf den Klägern Verantwortungslosigkeit vor. "Die Stabilisierung unserer Währung und damit unseres Wohlstands ist wichtiger als rechtstheoretisches Klein-Klein", sagte er der Berliner Zeitung. Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sagte dem Blatt, bei allem Verständnis für die Kläger sei die Verzögerung für die anderen Euro-Länder nicht akzeptabel. Deutschland beanspruche als einziges EU-Land derart viel Zeit für die juristische Prüfung. "Wenn sich das jedes Land herausnehmen würde, wäre Europa handlungsunfähig."

Der Verfassungsbeschwerde des Vereins "Mehr Demokratie" haben sich rund 12.000 Bürger angeschlossen. Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die die Kläger vertritt, erneuerte ihre Kritik: Mit den jetzt anstehenden Verträgen seien rote Linien überschritten, die das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung gesetzt habe, sagte die SPD-Politikerin der Onlineausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Eilanträge gegen die Rettungsmaßnahmen stellten auch die Fraktion der Linken im Bundestag, der CSU-Politiker Peter Gauweiler und eine Gruppe um den Nürnberger Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider.

Die Kläger rügen unter anderem eine Verletzung des Demokratieprinzips. Die Verpflichtungen für den Rettungsschirm ESM übersteige das, was der Bundestag verantworten dürfe. Dem Parlament entgleite die "haushaltspolitische Gesamtverantwortung". Der ESM führe dazu, dass die Europäische Union zu einer "Haftungs- und Transferunion" werde. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge wird bis Ende Juli gerechnet.

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