Eskalation zwischen Iran und USA:Codewort Chevrolet - irres Komplott, reale Gefahr

Ein oberlippenbärtiger Gebrauchtwagenhändler, ein mexikanischer Drogendealer und ein Mitglied einer iranischen Spezialeinheit sollen einen Anschlag auf einen Diplomaten in Washington geplant haben. US-Präsident Obama beschuldigt das Regime in Teheran, darin verwickelt zu sein. Die miserablen Beziehungen der beiden Länder werden sich weiter verschlechtern. Dabei ist unklar, ob Iran von den Plänen wusste.

Wolfgang Jaschensky

US-Präsident Barack Obama spricht von einem "eklatanten Verstoß gegen amerikanisches und internationales Recht", Außenministerin Hillary Clinton fordert "schärfste Maßnahmen" gegen Teheran, der TV-Sender Foxnews spekuliert gar über einen Krieg gegen Iran. Dabei beginnt die Geschichte, die sich zur ernsten Belastung für das ohnehin miserable Verhältnis zwischen den USA und Iran entwickelt, so absurd wie ein Film der Coen-Brüder (No Country for Old Men, Burn After Reading).

Courtroom sketch of Manssor Arbabsiar

Gebrauchtwagenhändler mit gefährlichen Plänen: Mansour Arbabsiar auf der Anklagebank in einem New Yorker Gericht.

(Foto: Reuters)

Die Hauptrollen spielen: ein oberlippenbärtiger Gebrauchtwagenhändler mit US-Pass und iranischen Wurzeln sowie ein Mexikaner, der in den USA wegen Drogenhandels angeklagt war, seit der Einstellung des Verfahrens aber für US-Drogenfahnder als Informant arbeitet. Der Schauplatz: die texanische Hafenstadt Corpus Christi. Der Plot: Der oberlippenbärtige Gebrauchtwagenhändler bietet einem mexikanischem Drogenkartell 1,5 Millionen Dollar, um den Botschafter Saudi-Arabiens in den USA in einem Nobelrestaurant in Washington zu töten. Die Verschwörung trägt sogar ein filmreifen Titel: Codewort "Chevrolet".

Anders als in einem Coen-Film endet die Geschichte aber nicht in einem blutigen Finale, sondern vor einem Bundesgericht in New York. Am Dienstagnachmittag sitzt Mansour Arbabsiar, der Gebrauchtwagenhändler, dort zum ersten Mal auf der Anklagebank. Nach Erkenntnissen der US-Behörden handelt es sich bei dem Mann nicht um einen wirren Wichtigtuer, sondern um eine ernste Bedrohung. FBI-Chef Robert Mueller sagt: "Auch wenn es sich wie ein Hollywood-Drehbuch liest, wären die Auswirkungen sehr real gewesen und hätten vielen Menschen das Leben gekostet."

Am 24. Mai 2011 traf sich Arbabsiar der Anklageschrift zufolge erstmals mit dem Mexikaner, der in den Akten nur unter dem Kürzel CS-1 geführt wird. CS-1 konnte Arbabsiar überzeugen, dass er zu Los Zetas, einem der großen Drogenkartelle Mexikos gehört. Bei Los Zetas sind Auftragsmorde Tagesgeschäft.

Nach weiteren Treffen im Juni und Juli soll Arbabsiar den Mexikaner beauftragt haben, die Pläne für den Bombenanschlag auf ein Washingtoner Restaurant wurden konkreter. Im Laufe der Konversation habe er auf Bedenken des Mexikaners, dass bei dem Attentat bis zu 150 Menschen sterben könnten, geantwortet: "Kein Problem." Im August gingen dann insgesamt 100.000 Dollar auf dem von CS-1 angegebenen Konto ein, das auf das FBI lief.

"Kauf es, kauf alles davon"

Politisch brisant macht den Fall aber vor allem eine dritte Person: Gholam Schakuri, mutmaßlich ein Mitglied der Al-Quds-Brigaden, der Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden. Nach seiner Festnahme am 29. September legte Arbabsiar den Angaben zufolge ein Geständnis ab. Der Anklageschrift zufolge willigte er in Telefonate mit Schakuri ein, die von den Ermittlern mitgeschnitten wurden. "Ich wollte dir sagen, dass der Chevrolet fertig ist", sagte Arbabsiar demnach zu seinem Kontaktmann. Schakuri habe geantwortet: "Kauf es, kauf alles davon."

Entscheidend für die politische Tragweite: Schakuri soll den Plan mit dem Wissen anderer hochrangiger iranischer Vertreter gesteuert und finanziert haben. Auf diese Annahme stützen sich auch die Anschuldigungen von Obama, Clinton und Justizminister Eric Holden.

Warum die Verwicklung Teherans so unklar ist

Dabei ist den US-Behörden offenbar nicht klar, ob es sich bei dem Attentatsplan um eine von höchster Ebene abgesegnete Aktion handelt oder ob die Täter auf eigene Faust gehandelt haben. "Wir wissen es einfach nicht", zitiert die New York Times einen Beamten, der an den Ermittlungen beteiligt war.

Walter Posch, Iran-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, sagt, ein Anschlag den USA sei völlig untypisch für die Al-Quds-Brigaden. Die Eliteeinheit werde für den Einsatz in arabischen Ländern ausgebildet. "Die Quds haben seit mehr als 20 Jahren keine Attentate mehr außerhalb der Region gemacht, und Massenvernichtungswaffen haben sie noch nie eingesetzt", sagt Posch zu sueddeutsche.de. Andererseits sei die Einheit so hierarchisch organisiert, dass ein Attentat ohne das Wissen des Revolutionsführers kaum denkbar sei.

Mögliche Motive Irans

Die Regierung in Teheran widerspricht den Anschuldigungen aus Washington. Ein Berater des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad spricht von einem "konstruierten Szenario", mit dem die USA von ihren innenpolitischen Problemen ablenken wollten. Mohammed Chasai, Irans Botschafter bei den Vereinten Nationen, schrieb einen Beschwerdebrief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, in dem er die Vorwürfe als "Kriegstreiberei" der USA bezeichnete.

Klar ist, dass die USA trotz dieser Beschwerde es nicht dabei belassen werden, die Konten einiger Iraner zu sperren. Außenministerin Clinton drang bereits auf eine Verschärfung der im Atomkonflikt verhängten Sanktionen. Iran müsse innerhalb der Weltgemeinschaft "isoliert" werden.

Vieles spricht dafür, dass Iran an einer Verschärfung des Konflikts mit den USA kein Interesse hat. Doch es scheint auch denkbar, dass das Regime in Teheran den Streit mit Washington eskalieren will, gerade da der Kampf um die Vorherrschaft in der Region mit Saudi-Arabien an Schärfe gewinnt. Möchte das Regime zeigen, dass es aus einer Position der Stärke heraus agiert? Wollen konservative Kreise ein vorsichtige Annäherung an die USA torpedieren? Oder ist es Rache für die Ermordung des Atomwissenschaftlers Massud Ali-Mohammadi, für die Iran die USA verantwortlich macht?

Vielleicht bringt der Prozess mehr Klarheit über die Motive und Hintergründe des gescheiterten Anschlags. Die beiden Verdächtigen sind unter anderem wegen Verschwörung zu einer Terrortat und zum Einsatz einer Massenvernichtungswaffe angeklagt. Für die Beziehung der beiden Länder steht mehr auf dem Spiel als ein Schuldspruch.

Mit Material von AFP, dpa, Reuters.

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