Eskalation im Nahen Osten:Deutschland muss sich endlich Trump entgegenstellen

Lesezeit: 3 min

Angela Merkel muss US-Präsident Trump die Stirn bieten. Dazu braucht sie auch die übrigen EU-Mitgliedsstaaten. (Foto: dpa)

Bundeskanzlerin Merkel ist dem US-Präsidenten bisher freundlich-kompetent begegnet. Das hilft erkennbar nicht. Berlin muss seine wirtschaftlichen Möglichkeiten gegen den Zerstörer aus dem Weißen Haus nutzen.

Kommentar von Marc Beise

Es wird geschossen im Nahen Osten, in Iran spitzt sich die Lage zu, und die Welt fragt sich besorgt: Was wird Donald Trump als Nächstes einfallen, um die Welt zu einem noch gefährlicheren Ort zu machen? Europa, und in seiner Mitte Deutschland, sollte sich aber lieber fragen: Was wird uns als Nächstes einfallen?

Allzu lange sind die Europäer dem amerikanischen Präsidenten in einer eigenartigen Mischung aus Verachtung und Nachsicht begegnet. Haben sich zu Hause über den Anti-Politiker lustig gemacht und sind bei Bedarf nach Washington gepilgert, beflügelt von der Hoffnung, der Mann sei belehrbar. Die Europäer müssen sich damit abfinden, dass ein Besänftigungskurs nicht funktioniert. Trump will die Welt offenkundig nach seinem eigenen kruden Weltbild gestalten, er legt keinen Wert auf Alliierte, und schon gar nicht will er in multilateralen Runden nehmen und geben. "America first" gilt für ihn unbedingt und überall, also überzieht er die Welt mit Drohungen und Taten.

Deutsch-russische Beziehungen
:Maas und Lawrow wollen Atom-Abkommen retten

Das erste Treffen der beiden Außenminister war mit Spannung erwartet worden. Nach Vorwürfen im Vorfeld geben sie sich nun versöhnlich.

Es hilft erkennbar nicht, ihm freundlich-kompetent entgegenzutreten, wie das Angela Merkel macht, oder schmeichelnd wie der französische Präsident Macron. Auch nicht devot, wie deutsche Konzernchefs zu Jahresanfang beim Weltwirtschaftstreffen in Davos. Trump kennt nur Unterwerfung, und selbst wer sich fügt, kann nicht sicher sein, wie lange ihm Gunst gewährt wird. Wer das immer noch nicht begriffen hat, der sollte auf den neuen US-Botschafter in Berlin achten.

Wenige Stunden erst war Richard Grenell akkreditiert, da gab er im Stile seines Herrn die Losung aus. In einem Tweet wies er deutsche Unternehmen kurz und knapp an, ihre Geschäfte in Iran sofort runterzufahren. "Wind down operations immediately", so direkt hat sich vielleicht noch nie ein Botschafter in Deutschland geäußert. Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der aber ins Bild passt.

Es hilft nicht, wenn nun Profis dem neuen Botschafter den Job erklären wollen: Ein Abgesandter solle die Politik seines Landes erklären, aber niemals dem Gastland sagen, was es zu tun habe. Unter Trump hat die Diplomatie neue Regeln bekommen. Sie droht und spottet. Sie redet Menschen und Institutionen schlecht. Oder es werden einfach Verträge aufgegeben, wie es einem passt. Das sind Methoden, die man bisher vor allem aus autoritär regierten Staaten gewohnt war.

Es steht zu befürchten, dass der Protest der Deutschen erneut über pflichtgemäß kritische Worte nicht hinauskommen wird. Die Angst vor der amerikanischen Supermacht ist groß. Der Erfolg der Wirtschaft und damit des deutschen Wohlstands hängt maßgeblich am Weltmarkt, damit scheint er von den Launen der mächtigen Vereinigten Staaten abhängig. Die USA sind der größte Handelspartner Deutschlands, sie üben auch vielfältig indirekt Einfluss aus. Kaum ein Unternehmen kann es sich leisten, es sich mit Amerika zu verscherzen.

Man könnte deshalb meinen, es gäbe für Deutschland, das wirtschaftlich eine Großmacht, aber politisch schwach ist, keine Alternative, als zu kuschen. Es muss aber eine geben, was man merkt, wenn man den Gedanken zu Ende führt: Wie weit will man Trump noch folgen? Deutschland ist auf das multilaterale System angewiesen, auf eine offene Welt. "America first" wäre in letzter Konsequenz das Ende des deutschen Geschäftsmodells. Eines Geschäftsmodells übrigens, das sich allgemein in der Welt immer wieder bewährt. Die Strategie, Staaten wie Iran politische Zugeständnisse abzuringen im Tausch gegen wirtschaftliche Zusammenarbeit, funktioniert im Ergebnis besser als Konfrontation, Sanktion und Eskalation. Und weil "Wandel durch Handel" eine Formel ist, die deutschen Fähigkeiten und Möglichkeiten besonders gut entspricht, muss Deutschland sich endlich dem Zerstörer Trump entgegenstellen.

Es ist ein Anfang, dass EU-Vertreter mit Iran reden und versuchen, das Abkommen auch ohne die USA am Leben zu erhalten - aber das reicht nicht. Die Bundesregierung muss den deutschen Unternehmen, die in Iran und anderswo Geschäfte machen, öffentlich zur Seite springen und sie gegebenenfalls juristisch schützen. Fürs erste hätte Botschafter Grenell einbestellt und zurechtgewiesen werden müssen, noch ist es dafür nicht zu spät. Eine Runde mit Regierenden und Firmenchefs im Kanzleramt könnte den Schulterschluss demonstrativ besiegeln.

Aber: Deutschland allein kann sich gegen die USA nicht behaupten. Das verkennen jene, die Europa beständig schlechtreden. Die EU redet mit vielen Stimmen, ja, und sie funktioniert mehr schlecht als recht. Aber nur Europa als Block kann Amerika die Stirn bieten. Wenn sich die USA als konstruktive Weltführungsmacht verabschieden, dann muss Europa in diese Lücke stoßen. Dafür müssen die besonders starken Nationen täglich aktiv zusammenstehen, vor allem Deutschland, Frankreich und auch - Brexit hin oder her - Großbritannien.

© SZ vom 11.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Atomabkommen mit Iran
:Merkel: Es geht um Krieg und Frieden

"Es ist nicht mehr so, dass die Vereinigten Staaten von Amerika uns einfach schützen werden", sagt die Kanzlerin. Nach der Eskalation im Nahen Osten wollen Berlin, Paris und London nun selbst die Krise eindämmen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: