Gewalt im Jemen:Deutschland schließt Botschaft in Sanaa

Außenminister Westerwelle lässt angesichts der anhaltenden Gefechte in der jemenitischen Hauptstadt deutsches Personal aus Sanaa abziehen. Brüssel bereitet die Evakuierung von EU-Bürger aus dem Land vor. Indes zeigt sich Präsident Salih unbeeindruckt vom Angriff auf seinen Palast am Freitag: Der verletzte Machthaber kündigte seinen Gegnern Vergeltung an.

Eskalation der Proteste: Jemens Staatsoberhaupt Ali Abdallah Saleh hat den Volkszorn nun auch unmittelbar zu spüren bekommen - er wurde bei einem Raketenangriff auf den Präsidentenpalast mit sieben Toten leicht verletzt. Weitere ranghohe Regierungsmitglieder erlitten ebenfalls Verletzungen, sieben Menschen starben. Angesichts der immer bedrohlicheren Lage im Land hat Brüssel die Evakuierung von EU-Bürgern aus dem Jemen eingeleitet. Deutschland schließt seine Vertretung in der Hauptstadt Sanaa.

Gewalt im Jemen: Nach dem Angriff auf den Präsidentenpalast versichterte Ali Abdallah Salih in einer Audiobotschaft im Staatsfernsehen, er sei bei "guter Gesundheit".

Nach dem Angriff auf den Präsidentenpalast versichterte Ali Abdallah Salih in einer Audiobotschaft im Staatsfernsehen, er sei bei "guter Gesundheit".

(Foto: AFP)

Ein ranghoher Vertreter der Regierungspartei Allgemeiner Volkskongress sagte am Freitag, Salih sei bei dem Angriff "leicht am Hinterkopf getroffen worden". Der jemenitische Machthaber und ranghohe Staatsvertreter hatten sich zum Freitagsgebet in der Moschee im Präsidentenpalast in Sanaa versammelt, als es zu dem Granatenangriff kam. Vier verletzte Spitzenvertreter der Regierung wurden zur medizinischen Behandlung nach Saudi-Arabien gebracht worden. Dabei handelt es sich laut einem Bericht der amtlichen jemenitischen Saba um den Ministerpräsidenten, den Sicherheitsberater des Präsidenten sowie die beiden Parlamentspräsidenten.

Salih: "Es geht mir gut"

Laut Augenzeugen hatte die Republikanische Garde, die loyal zu Präsident Salih steht, zuvor die Häuser von General Mohsen al-Ahmar und des Oppositionspolitikers Scheich Hamid al-Ahmar angegriffen. Die Anhänger von Mohsen al-Ahmar und Scheich Hamid al-Ahmar hätten daraufhin zum Gegenschlag ausgeholt. Auch der Universitäts-Campus im Zentrum von Sanaa stand unter Beschuss der Salih-Truppen: Dort verschanzen sich seit vier Monaten Gegner des Präsidenten - sie fordern seinen Rücktritt.

Der Al-Ahmar-Clan bestritt allerdings den Angriff auf den Präsidentenpalast und machte den Machthaber selbst dafür verantwortlich: Salih wolle eine Eskalation der Gewalt in der Hauptstadt durch die Regierungstruppen rechtfertigen.

Nachdem es im jemenitischen TV zwischenzeitlich sogar geheißen hatte, Salih sei bei dem Angrif getötet worden, äußerte sich der Präsident am Abend selbst in einer Audiobotschaft im Staatsfernsehen zu seinem Gesundheitszustand: "Es geht mir gut, ich bin bei guter Gesundheit", versicherte er. Er drohte dem Haschid-Stamm von Scheich al-Ahmar mit Vergeltung: Die Armee werde die "Institutionen des Staates von diesen gesetzlosen Rebellenbanden säubern", sagte Salih, der seit 33 Jahren im Jemen an der Macht ist.

Die US-Regierung verurteilte den Angriff auf den Präsidentenpalast scharf und sprach von "sinnloser Gewalt".

Berlin reagiert auf Eskalation der Gewalt

Deutschland schließt angesichts der anhaltenden Kämpfe im Jemen seine dortige Botschaft. Außenminister Guido Westerwelle sagte am Samstag am Rande seines Vietnambesuchs in Hanoi, vor dem Hintergrund der Gefechte sei man gezwungen, das Personal aus dem Jemen abzuziehen. Der Minister forderte außerdem alle Deutschen eindringlich auf, das Land zu verlassen, sobald dies sicher und möglich sei.

"Die in der letzten Zeit im Jemen begangenen Menschenrechtsverletzungen sind nicht hinnehmbar", sagte Westerwelle zur Gewalteskalationim Jemen. "Die Bundesregierung verurteilt jegliche Form der Gewaltanwendung auf das Schärfste." Der FDP-Politiker betonte, die Regierung beobachte die Lage in Sanaa und dem gesamten Land seit Wochen mit wachsender Sorge. "Wir haben einen geordneten politischen Übergang gefordert und zu einem friedlichen gesellschaftlichen Dialog aufgerufen." Präsident Salih sei dieser Forderung aber nicht nachgekommen.

Auch Großbritanniens Außenminister William Hague hat britische Staatsbürger aufgefordert, den Jemen umgehend zu verlassen. Sie sollten Linienflüge nutzen, "solange sie noch fliegen", sagte Hague. "In dieser schwierigen Sicherheitslage ist es extrem unwahrscheinlich, dass die britische Regierung in der Lage sein wird, britische Staatsangehörige aus dem Land zu holen", so Hague.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton teilte am Freitagabend mit, sie habe den entsprechenden "Mechanismus aktiviert, um die Evakuierung der EU-Staatsbürger zu erleichtern, die das Land verlassen wollen". Zugleich rief sie zu einem sofortigen Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Lagern auf und wiederholte die Forderung der Europäischen Union nach einem Rücktritt von Salih.

Kämpfer von Scheich al-Ahmar liefern sich in Sanaa seit Tagen heftige Gefechte mit Regierungstruppen. Dabei wurden seit dem Bruch eines Waffenstillstands am Dienstag mindestens 60 Menschen getötet. Die Gefechte weiteten sich vom Norden der Hauptstadt in den Süden aus. Dort beschossen Regierungstruppen die Residenz eines Bruders des Scheichs mit schweren Waffen und Raketen. Zuvor hatten sich die Kämpfe auf das Stadtviertel al-Hassaba im Norden der Stadt konzentriert, wo el Ahmar selbst seine Residenz hat.

Bei regierungskritischen Protesten in der Stadt Taes wurden am Freitag nach Angaben eines Sicherheitsvertreters vier Soldaten und zwei Demonstranten getötet. Etwa 50 Menschen seien verletzt worden.

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