Katholische Kirche:"Einfach weiter so Bischof sein geht nicht"

Lesezeit: 3 min

Eine Plastik mit dem Titel "Der Hängemattenbischof" drückt den Protest am Umgang der katholischen Kirche mit Betroffenen von sexuellem Missbrauch aus. Sie ist nun vor dem Dom von Fulda aufgebaut. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Nachdem der Papst entschieden hat, den umstrittenen Erzbischof Heße im Amt zu belassen, fordert der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Laien stärker an Entscheidungen zu beteiligen. Einige Kirchenobere protestieren - mit Unterstützung aus Rom.

Von Annette Zoch, München

Die deutschen katholischen Bischöfe kommen aus dem Krisenmodus gar nicht mehr heraus. Von diesem Montag an treffen sie sich zu ihrer jährlichen Herbstvollversammlung in Fulda, doch diesmal ist die Begleitmusik besonderes dröhnend und dissonant. Erst vergangene Woche hatte Papst Franziskus - nach Monaten des Schweigens - entschieden, das Rücktrittsangebot von Hamburgs Erzbischof Stefan Heße nicht anzunehmen. Dem früheren Kölner Generalvikar Heße waren im Kölner Missbrauchsgutachten elf Pflichtverletzungen vorgeworfen worden. Über das Schicksal von Kölns Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki hat der Papst derweil immer noch nicht entschieden.

Die Ablehnung des Heße-Rücktritts war bei Missbrauchsbetroffenen und katholischen Laien auf scharfe Kritik gestoßen. "Ich kann das wirklich gut verstehen", sagt nun der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zum Auftakt der Herbstvollversammlung. Für den Papst sei ausschlaggebend gewesen, dass er keine Hinweise für eine "aktive, willentliche Vertuschung" durch Heße gefunden habe. Deshalb habe er ihn im Amt belassen. Klar sei aber auch, so Bätzing, ein Neustart für Heße und das Erzbistum Hamburg sei nicht leicht. "Dies wird Änderungen im Ansehen der Bischöfe haben, und das hat auch Folgen für uns als Bischofskonferenz", sagte er. "Einfach weiter so Bischof sein geht nicht. Es wird eine stärkere Beteiligung von Laien an Bistumsprozessen geben müssen."

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alle Meldungen zur aktuellen Situation in der Ukraine und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Hier kostenlos anmelden.

Furcht um die Einheit der Kirche

Doch genau dieses Thema ist eines der umstrittensten auf dem Synodalen Weg, der innerkatholischen Reformdebatte zwischen Klerikern und Laien. Für kommende Woche ist die zweite Synodalversammlung in den Frankfurter Messehallen geplant, dort soll auch ein Grundlagentext zu mehr Gewaltenteilung besprochen werden. Dieser Text geht Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer allerdings zu weit, er fürchtet um die Einheit der Kirche und dass es die deutsche katholische Kirche aus Sicht Roms "zu weit treibe". Gemeinsam mit vier anderen Teilnehmern des Synodalen Wegs hatte Voderholzer deshalb eine eigene Homepage freigeschaltet und dort einen Alternativtext veröffentlicht. Bätzing nannte den Vorstoß seines Mitbruders am Montag ein "Überraschungsmoment", er plädierte aber dafür: "Die Arbeit am Synodalen Weg muss im Synodalen Weg geschehen. Was daneben läuft, findet nicht mehr gut hinein."

Voderholzer erhielt allerdings am Montag Rückenwind aus Rom: Der Botschafter des Papstes in Berlin, der Apostolische Nuntius Nikola Eterović, ermahnte die deutschen Bischöfe im Namen des Papstes, die Einheit der Kirche zu wahren. Eterović erinnerte an ein Interview von Franziskus mit einem spanischen Radiosender. Auf die Frage, ob der Synodale Weg der Deutschen ihm den Schlaf raube, hatte Franziskus darin gesagt, es sei nicht böser Wille, der die deutschen Bischöfe antreibe, sondern "ein pastorales Verlangen", das aber manche notwendigen Weisungen des Papstes "nicht berücksichtige". Eterović zitierte außerdem Papst Paul VI., der 1968 eine "Veränderungs- und Erneuerungssucht" einiger Katholiken kritisiert hatte, man dürfe jedoch "an den Wahrheiten der christlichen Lehre keine Abstriche" machen.

"Wir erleben zerfallende Machtstrukturen"

Für zahlreiche Reformgruppen, die sich wie die Bischöfe in diesen Tagen in Fulda versammelt haben, kann es so allerdings nicht weitergehen. Für sie stehe die Kirche "am Scheideweg": "Wir erleben zerfallende Machtstrukturen", sagte Christian Weisner von "Wir sind Kirche". Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Agnes Wuckelt, sagte, immer mehr Frauen kehrten der Kirche den Rücken, auch viele ältere. Doch, so Wuckelt: "Es ist auch unsere Kirche, nicht nur die Kirche der Bischöfe."

Auf der Tagesordnung der Bischöfe steht außerdem das erst bei der letzten Herbstvollversammlung 2020 beschlossene Verfahren zur Zahlung von Anerkennungsleistungen für Missbrauchsbetroffene. Damals hatten sich die Bischöfe auf ein für alle Diözesen einheitliches und standardisiertes Verfahren und die Gründung einer Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UAK) geeinigt, einem mit externen Fachleuten besetzten Gremium. Dessen Arbeit wird allerdings seit einiger Zeit scharf kritisiert. In offenen Briefen an Bischöfe und Politik hatten sich einzelne Betroffene und Betroffeneninitiativen in den vergangenen Wochen immer wieder zu Wort gemeldet. Wie die Zeitschrift Publik-Forum berichtete, hat nun auch der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz die Bischöfe dazu aufgefordert, das umstrittene Verfahren zu stoppen: "Durch die Bescheide wurde bereits eine erhebliche Zahl von Retraumatisierungen mit den entsprechenden Folgen bis hin zu stationären Unterbringungen in psychiatrischen Kliniken verursacht", heißt es dem Bericht zufolge in dem Brief. Das Anerkennungssystem lasse "in erheblichem Maße Transparenz und damit Nachvollziehbarkeit vermissen". "Das ist etwas, das müssen wir genau anschauen", sagte Bätzing. "Das kann nicht Sinn und Zweck dieses Programms sein, das wir aufgelegt haben."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusReden wir über Geld
:"Niemand sollte zum Sklaven seines Geldes werden"

Wann macht Geld unfrei? Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, über seine extreme Sparsamkeit, Urlaub im Tiny House und warum es reichen Menschen besser geht, wenn es weniger Armut gibt.

Interview von Thomas Öchsner und Annette Zoch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: