Süddeutsche Zeitung

Erster Weltkrieg:Lawrence von Arabien - Held der Wüste

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Vor 130 Jahren wurde Lawrence von Arabien geboren, der legendäre Archäologe und Schriftsteller, Krieger und Spion. Was trieb ihn an?

Von Josef Schnelle

Am liebsten ließ er sich fotografieren im ausladenden weißen Gewand eines Scherifen, eines Angehörigen des arabischen Erbadels. So kennt man ihn auch aus David Leans Film als "Prinzen der Wüste", der im Auftrag der britischen Krone den Aufstand der Araber gegen die Reste des Osmanischen Reiches anführt und 1918 an ihrer Spitze Damaskus erobert.

Wie er im Film erscheint - kongenial gespielt von seinem entfernten Verwandten Peter O' Toole -, so hatte sich der echte Thomas Edward Lawrence schon als junger Mann gewünscht, eine wichtige historische Rolle zu spielen. Er stellte sich einen heroischen Auftritt vor, im Stile eines mittelalterlichen Ritters im arabischen Gewand.

Erste moderne Theorie des Guerillakrieges

Als Schüler in Oxford habe er davon geträumt, "während meines Daseins dem neuen Asien den Anstoß zu neuer Form zu geben", schrieb er später. Also sah er sich als modernen Helden in der Tradition der Kreuzritter, deren Burgen im Heiligen Land er als junger Archäologe schon 1909 umfassend erforscht und zum Thema seiner Examensarbeit gemacht hatte. Und er hatte perfekt Arabisch gelernt, was er bei Ausgrabungen im hethitischen Karkemisch bis 1914 vervollkommnete, wo er auch die Abenteurerin und Spionin Gertrude Bell traf.

Dass die Forschungen der britischen Archäologen sich im Zwischenreich zu direkter militärischer Aufklärung bewegten, zeigte sich schon bei Lawrence' nächstem Engagement, einer kartografischen Expedition durch die Negev-Wüste im Auftrag des "Palestine Exploration Fund", dessen Karten auch der strategischen Auskundschaftung durch den "Secret Service" dienten.

Für die Rolle als Berater und Vermittler der Kontakte der Briten zum Aufstand des Scherifen Hussein und seiner Söhne war niemand besser geeignet als Lawrence, so beschrieben in seinem autobiografisch-philosophischen Buch "Die sieben Säulen der Weisheit", erschienen 1926.

Auf dieses Buch stützt sich David Leans großer Erfolgsfilm mit einer Abenteuergeschichte aus dem Ersten Weltkrieg. Im berühmten Kapitel 33 enthält der Tatsachenessay die erste moderne Theorie des Guerillakrieges, ("Unser Krieg musste ein solcher des Ausweichens sein") bei dem er tatsächlich mit Beduinenmilizen immer wieder die Schienen der "Hedschasbahn" gesprengt und mit Tempovorstößen kleiner Kampfgruppen durch unwegsames Gelände Erfolg hatte.

Den Traum vom Großarabischen Reich unter einem einzigen König konnte er nicht realisieren, da Briten und Franzosen mit dem Sykes-Picot-Abkommen längst eine andere Strategie verfolgten, die noch heute die Dauerkrise des syrisch-irakischen Raumes in den am Zeichentisch gezogenen Grenzen bestimmt.

Lawrence hatte mit seinen diplomatischen Aktionen bei den Nachkriegskonferenzen als Vertrauter König Feisals mehr Einfluss als jeder andere Politiker der Zeit. Wiederholt sieht man ihn neben dem charismatischen arabischen Führer. Auch den Umfang seiner geheimdienstlichen Tätigkeit hat er wohl untertrieben. Er soll schon vor den Ausgrabungen in Karkemisch, wo er die neue Eisenbahnlinie der Osmanen fotografierte, vor allem Geheimagent gewesen sein.

Winston Churchill ernannte als Kolonialmister 1921 den inzwischen zum Colonel beförderten Lawrence zum Sonderbotschafter und Agenten im arabischen Büro der Behörde. Was die beiden dauerhaft entzweite, bleibt geheimnisvoll. Waren es die sadomasochistischen Neigungen, zu denen Lawrence sich schon bei der Andeutung des "Genusses" von Folterungen in osmanischer Gefangenschaft bekennt und die er mit Flagellationen seit 1922 befriedigte?

Inzwischen hatte Lawrence trotz Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung von "Die sieben Säulen der Weisheit" einige Anerkennung durch Schriftstellerkollegen wie George Bernard Shaw und E. M. Forster erfahren.

Unter dem Pseudonym T. E. Shaw trat er noch einmal regulär in die Armee ein und diente in Indien, wovon sein posthum veröffentlichtes Buch "The Mint - Unter dem Prägestock" berichtet, wie auch vom Militärdrill und der Lust an der Unterwerfung. Es ist literarisch viel anspruchsvoller als das Hauptwerk und bietet seltene Einblicke ins Seelenleben des "ungekrönten Königs von Arabien", der sich als "gefährlichen Tagträumer" sah.

Ein zweifelhafter Unfall

Vielleicht, schrieb er mal, wäre er erfolgreicher gewesen, wenn er in Arabien geblieben wäre, wo der Ehrenkodex der Wüste galt, den er so gut beherrschte. Das neue Leben bei der RAF (Royal Air Force) verlief eher unspektakulär, auch wenn ihm einige Erfindungen bei der Verbesserung von Motorrädern und Experimente mit einem Luftkissenboot angedichtet werden, wovon es sogar Filmschnipsel gibt.

Zwei Monate nach der Entlassung aus dem Militär 1935 geriet er bei seinem Cottage in Clouds Hill, Dorset, mit der "Brough Superior SS 100" von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. Zwei Radfahrer sollen ihn irritiert haben. Dabei galt Lawrence als sehr erfahrener Motorradfahrer, der seine Maschine perfekt beherrschte. Ein zweifelhafter Unfall also, bis heute unaufgeklärt.

Eine schwarze Limousine sei unmittelbar davor auf der Straße gesichtet worden, so ein Augenzeuge. Ungewöhnlich sind auch die sechs Tage Koma zwischen Aufprall und Tod.

Feinde bis in die höchsten Geheimdienstränge besaß er genug. Bei der Trauerfeier weinte nur E. M. Forster über den Tod des Mannes, der sein Leben wie in einem Abenteuer aus "1001 Nacht" gestaltet hatte.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2018
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