Erster Bundespräsident:Der unbekannte Theodor Heuss

Warum verbrannten die Nazis seine Bücher? Wieso Heuss das Deutschlandlied als Nationalhymne verhindern? Und welcher Friedensnobelpreisträger traute Heuss und seine Frau Elly? Zehn wenig bekannte Fakten über das liberale Staatsoberhaupt.

Gesammelt von Oliver Das Gupta

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Intellektueller und Politikwissenschaftler, Journalist und Liberaler, FDP-Gründer und Bundespräsident: Von Theodor Heuss sind den Deutschen seine beruflichen Aktivitäten in Erinnerung geblieben. Dabei schillert die Vita von "Papa Heuss" durchaus - auch dank seines Humors und seines illustren sozialen Umfeldes. Zehn wenig bekannte Fakten aus dem Leben des ersten bundesdeutschen Staatsoberhauptes.

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Politischer Gehversuch im "Nationalsozialen Verein"

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Der junge Theodor Heuss schloss sich dem Nationalsozialen Verein an. Diese von Friedrich Naumann 1896 begründete politische Bewegung versuchte progressive Kräfte des Kaiserreichs zu einen - und vertrat völlig andere Ziele als als die spätere Hitler-Partei, die ebenso vorgab,"national" und "sozial" zu sein. Das Projekt der ersten Heuss-Partei scheiterte übrigens kläglich: 1903 löste sich der "Nationalsoziale Verein" wegen chronischer Erfolglosigkeit auf.

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Starke Frau, berühmter Vikar

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Verheiratet war Heuss mit Elly Heuss-Knapp, einer engagierten, selbstbewussten Frau. Als eine der ersten Frauen studierte sie, später machte sie sich als Sozialreformerin einen Namen und gründete das Müttergenesungswerk. Elly Knapp und ihr Theodor ließen sich 1908 von einem Vikar trauen, der später den Friedensnobelpreis erhielt: Albert Schweitzer. Im Bild: Die westdeutsche First Lady und der Bundespräsident mit Enkelkind im Januar 1951

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Illustre Verwandtschaft

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Theodor Heuss kam durch seine Vermählung zu einer illustren Verwandtschaft: Seine Schwiegermutter entstammte georgischem Adel. Und der Großonkel seiner Ehefrau Elly war der berühmte Chemiker Justus von Liebig, über den Heuss eine Biografie verfasste.

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Teil der Münchner Boheme

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Heuss studierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in München. Er zählte sich selbst zur "Münchner Boheme" - und versuchte sich optisch abzuheben. "Schon seit geraumer Zeit trug ich einen sehr breitkrempigen, flachen Hut, der die freie Zunft der 'Geistigen' markierte", schrieb Heuss später in seinen Jugenderinnerungen. Die Kravatte habe er damals als "überflüssig" abgeschafft, dazu habe er Hemden mit einem "modischen, hohen Kragen" getragen. Die Montur zeigte Wirkung: "Kinder begrüßten mich zuweilen als katholischen Pfarrherrn, und das rührte mich." Im Bild: Heuss vor 1914.

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Erst vor Hitler gewarnt, dann für seine Ermächtigung gestimmt

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Heuss erkannte die Gefahr, die von Hitler und den Nazis ausging, früher und deutlicher als die meisten seiner Zeitgenossen. Kurz vor der Machtergreifung analysierte er in seinem vielbeachteten Buch "Hitlers Weg" den späteren Diktator - doch die Kritik blieb ohne Erfolg. Nach Hitlers Berufung zum Reichskanzler verbrannten die Nazis das Heuss-Buch öffentlich. Heuss stimmte als Reichstagsabgeordneter 1933 für das Ermächtigungsgesetz der Nazis - er habe sich dem Fraktionszwang gebeugt, sagte er. Im Bild: Heuss (re.) mit dem Reichskanzler Joseph Wirth (li.) im Jahre 1921.

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Die Hymne, die er verhindern wollte

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Heuss versuchte als Bundespräsident die Wiedereinführung des Deutschlandliedes als Nationalhymne zu verhindern. Das von den Nazis ebenfalls genutzte Lied empfand er als unpassend. Heuss setzte sich für eine neue Hymne ein - ohne Erfolg. Selten einmütig pochten CDU-Kanzler Konrad Adenauer und sein SPD-Opponent Kurt Schumacher auf das Deutschlandlied. Heuss gab 1952 widerstrebend nach, unter der Maßgabe, dass nur die dritte Strophe gesungen werden sollte. Heuss konnte sich übrigens zwei Jahre später in seinen Zweifeln bestätigt fühlen: Nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft brüllten viele Deutsche allerdings wie vor 1945: "Deutschland, Deutschland über alles ...". Im Bild: Adenauer im Gespräch mit Heuss im Jahre 1951.

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Redenschreiber unerwünscht

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Heuss schrieb leidenschaftlich gerne: Artikel, Bücher und die Texte seiner Ansprachen. Deshalb beschäftigte er keine Redenschreiber. Im Bild: Heuss 1951 mit Sportfunktionären, wie dem späteren NOK-Chef Willi Daume (2. v. r.).

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Orden für die Republik

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In der Weimarer Republik waren Ordensverleihungen abgeschafft, und dem Liberalen Heuss war das Monarchische an sich zuwider. Trotzdem stiftete der erste Bundespräsident gleich zwei Orden. Er führte das Bundesverdienstkreuz ein. Und reaktivierte den einst von Friedrich dem Großen erfundenen Orden "Pour le Mérite" - diesmal allerdings als Auszeichnung für Künstler und Wissenschaftler. Das erste Bundesverdienstkreuz verleiht er an einen Bergmann. Für eine andere Auszeichnung greift das Staatsoberhaupt selbst zu Stift und Zeichenpapier: Er liefert Entwürfe für das Silberne Lorbeerblatt für erfolgreiche Sportler. Im Bild: Heuss mit Gustaf Gründgens im Jahre 1953. Der Regisseur trägt das ihm verliehene Bundesverdienstkreuz.

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Ein Präsident, der kaum reiste

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Theodor Heuss ist wohl derjenige Bundespräsident, welcher die wenigsten Auslandsreisen unternommen hat. In den ersten Jahren der jungen Republik unternahm er gar keine - weil Westdeutschland die Souveränität fehlte. So reiste Heuss als Präsident lediglich nach Griechenland, Italien, in die Türkei sowie den Vatikan. Später, kurz vor seinem Amtsende, stattete er den USA, Kanada und Großbritannien einen Besuch ab. Im Bild: Heuss beim Staatsbesuch in der Türkei im Mai 1957.

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Späte Liebe

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In seinem letzten Lebensjahrzehnt war Heuss noch einmal heftig verliebt. Der Witwer - Ehefrau Elly war 1952 gestorben - pflegte eine Liebschaft mit Antonie Stolper, genannt "Toni". Die Eheleute Heuss hatten die aus Wien stammende Journalistin bereits lange vor dem Krieg in Berlin kennengelernt und mit ihr Freundschaft geschlossen. Stolper musste wegen ihrer jüdischen Herkunft in die USA flüchten. Mitte der fünfziger Jahre begegneten sich Heuss und die ebenfalls verwitwete Toni Stolper im fränkischen Bad Kissingen wieder. In ihren Briefen finden sich erotische Anspielungen, aber auch die Bezeichnung: "Süßer Lamasohn auf dem Bonner Bundesthron". Heuss hätte Stolper gerne geheiratet, schreibt sein Biograf Joachim Radkau. Für sie nahm Heuss 1955 zehn Kilo ab, um "vom leicht angefetteten Bürger zum grazilen Intellektuellen" zu werden. Doch "Theos" Zigarren und sein Hang zum Wein scheinen sie gestört zu haben. Als Heuss im Dezember 1963 im Sterben lag, verlangte der Altbundespräsident nach Stolper. Als sie endlich bei ihm war, sei Theodor Heuss friedlich eingeschlafen. Im Bild: Heuss nimmt 1959 Abschied von der Bundeshauptstadt Bonn und fährt nach Stuttgart, wo er seinen Lebensabend verbringen sollte.

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