Erste Wahlergebnisse in Tunesien:Gemäßigte Islamisten erklären sich zum Wahlsieger

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Mehr als 11.000 Kandidaten auf etwa 1500 Listen waren bei der ersten Wahl nach dem arabischen Frühling in Tunesien angetreten. Bisherige Ergebnisse deuten auf einen Sieg der gemäßigten Islamisten und damit auf einen politischen Umschwung in dem bisher eher säkularen Staat hin.

Nach der ersten freien Wahl im bislang eher weltlichen Tunesien haben sich die gemäßigten Islamisten zum Wahlsieger erklärt. Die Ennahda-Partei habe nach ersten Ergebnissen im gesamten Land und in der Mehrheit der Wahlbezirke die meisten Stimmen erhalten, sagte Wahlkampforganisator Abelhamid Jlazzi am Montag in Tunis. Von den bislang ausgezählten Stimmen entfielen 30 Prozent auf die Partei.

Die in den 70er Jahren gegründete Partei war als Favorit in die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung gegangen. Die Bewegung, die unter dem ersten Präsidenten des Landes, Habib Bourguiba, und unter seinem im Januar gestürzten Nachfolger Zine el Abidine Ben Ali unterdrückt wurde, hat sich in ihrem Programm zu einer moderaten Form des politischen Islams bekannt.

Die gemäßigt linke Kongress-Partei für die Republik (CRP) hofft auf den zweiten Platz, was ein Rückschlag für die Fortschrittliche Demokratische Partei (PDP) wäre. Da Tunesien der Pionierstaat des arabischen Frühlings ist, gilt der Wahlausgang auch als Signal für die politische Stimmung in den anderen Umsturzländern wie Ägypten und Libyen. Mit dem Endergebnis wird am Dienstag gerechnet.

Wahlbeteiligung übertrifft alle Erwartungen

Die Wahlbeteiligung hatte alle Erwartungen übertroffen: Mehr als 90 Prozent der eingetragenen Wähler hätten ihre Stimme bei der Wahl abgegeben, sagte Boubaker Bethabet von der Wahlkommission am Sonntagabend.

Vor den Wahllokalen hatten sich lange Schlangen gebildet, viele Menschen mussten stundenlang auf die Stimmabgabe warten. Von den 7,5 Millionen potentiellen Wählern hatten sich allerdings bis zum Wahltag lediglich 4,4 Millionen, also 60 Prozent, registrieren lassen. Die nichtregistrierten Tunesier durften aber ebenfalls in speziellen Wahllokalen ihre Stimme abgeben.

Überwacht wurde der Urnengang von 40.000 Sicherheitskräften und 13.000 Wahlbeobachtern. Laut Jendoubi gab es einige kleinere Unregelmäßigkeiten, die den Ausgang der Abstimmung jedoch nur "minimal" beeinflussen könnten. Die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union begrüßten das große Interesse der Bevölkerung an der Wahl. Auch US-Präsident Barack Obama sprach von einem "wichtigen Schritt nach vorn".

Um die 217 Mandate in der Versammlung bewarben sich mehr als 11.000 Kandidaten auf etwa 1500 Listen. Die Abgeordneten sollen eine neue Verfassung ausarbeiten und einen neuen Staatschef wählen, der dann den Chef einer Übergangsregierung ernennen soll. Übergangspräsident Fouad Mebazaa kündigte in der arabischsprachigen Zeitung Assabah an, sich nach der Wahl endgültig aus der Politik zurückziehen zu wollen.

© sueddeutsche.de/AFP/dapd/dpa/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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